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Studia SlavicaSavariensia 1999

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<strong>Studia</strong> Slavica Savariensia <strong>1999</strong>.<br />

zenden Einheit verknhpfen und verbinden. 8 Aus dem oben Dargestellten läβt sich<br />

ersehen, da- das acumen-Verfahren erlernbar und demzufolge auch imitierbar ist.<br />

Das acumen kann man auch - den Barockpoetiken zufolge - als einfaches<br />

literarisches Verfahren verstehen, das nicht zur scharfsinnig formulierten Aussage,<br />

zur Pointe oder zum Auffinden verblhffender Ähnlichkeiten strebt, sondern als<br />

Verfahren der Zerstörung eines bestimmten Verfahrens normativen Charakters, d.h.<br />

als Destruktionsverfahren von traditionellen, normierten tropischen Ausdrhcken.<br />

Diese Art von acumen ist bestrebt, die Sprache aus ihren konventionellen<br />

semantischen Verbindungen zu befreien und neue semantische Beziehungen zu<br />

entdecken.<br />

Die acumen-Lehre wird sich im 17. Jahrhundert mit der Theorie der<br />

ingeniösen Metaphorik und der concetto-Theorie verflechten. Das untrennbar mit<br />

dem ingegno und acutezza verbundene concetto kann über jede rhetorische Figur<br />

realisiert werden, aber dennoch wird es am häufigsten über die starke Metapher<br />

realisiert. Es kann auch durch die Hyperbel, die Antithese, das Oxymoron, die<br />

Allusion, das Spiel der Zweideutigkeit oder der lautlichen Ähnlichkeit einiger<br />

Wörter usw. realisiert werden. Von daher kann man das concetto ebenso gut als<br />

Resultat einer bestimmten Figur beschreiben wie man auch jede Figur im Hinblick<br />

auf ihre scharfsinnige, concettuose Funktion analysieren kann. Nach Tesauro ist die<br />

Grundregel der concetto-Technik, daβ ein einfaches, banales Thema so kompliziert<br />

wie möglich geschaffen wird. Das Grundthema, so Tesauro, müsse man mit<br />

Nebenthemen und - motiven schmücken, und die Nebenmotive und - themen<br />

müsse man über Assoziationen in einem Maβe ausdehnen, so daβ sie das<br />

Grundthema am Ende gänzlich überragen und überflügeln. Ganz gleich in welcher<br />

Form die concetti auftauchen, wird ihnen zugeschrieben, daβ sie sich immer mehr<br />

vom Dargestellten entfernen und in ihrer verbalen Selbstbeweglichkeit in den<br />

poetischen Witz münden. 9<br />

Mit dem Begriff concetto ist in den Barockpoetiken der Begriff der Lüge<br />

eng verbunden. Das von den Fesseln der Darstellung des Wirklichen und Wahrhaftigen<br />

befreite ingegno ist befähigt, das Imaginäre, Unwahrscheinliche und Sinnlose<br />

zu erfinden, im buchstäblichen ebenso wie im metaphorischen Sinne. Die<br />

Barockpoetiken, die den Grundsatz der Mimesis verworfen haben, schätzen solche<br />

Inhalte hoch, die merkwhrdig, bizarr, phantastisch, vom Nathrlichen entfernt und<br />

selbst unwahrhaftig sind. Im Unterschied zu vorhergehenden Rhetoriken und<br />

Poetiken, in denen das Unwahre zwar seinen Platz gefunden hatte, aber nur sehr<br />

beschränkt, erhält das Unwahre im Seicento als Eigenheit des geistreichen und<br />

einfallsreichen ingegno ästhetischen Wert. Tesauro hebt den Begriff menzogna und<br />

bugia als literarischästhetische Werte eines Werkes hervor, besonders aber schätzt<br />

8 Ibid., S. 334 f.<br />

9 E. Tesauro, a.a.O., S. 512.<br />

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