Lebenslagen im Land Bremen Armuts - Bremische Bürgerschaft

Auch zeitliche oder situative Betreuungslücken - so banal sie von außen erscheinen mögen -
müssen dabei bedacht und gefüllt werden, wenn sie nicht zu unüberwindbaren Klippen für
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade für Alleinerziehende werden sollen. Dazu
gehören Eingewöhnungsphasen und Übergänge bei Systemwechseln (Wechsel in den Kindergarten,
Wechsel in die Grundschule, Übergänge in die weiterführenden Schulen), koordinierte
Wegbegleitungen (beispielsweise vom Kindergarten nach Hause oder Schulwegbegleitung
bzw. Begleitung von der Schule zum Hort), verlässliche Ferienbetreuung (beispielsweise
während der Schließzeiten von KiTas oder in Ganztagsschulen), durchgängige und
bezahlbare Mittagessenversorgung (beispielsweise in Ganztagsschulen an allen Schultagen
und in Ferienzeiten), die Betreuung von kranken bzw. gesundenden Kindern. Dazu gehören
aber auch situativ neu entstehende, manchmal kurzfristige, manchmal auch langfristige Bedarfe
(Aufnahme von Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Studium, längere Wegezeiten durch
Wohnortwechsel, veränderte Lage der Arbeitszeiten, Außendienste und Dienstreisen), die
schnell, flexibel und unmittelbar abgedeckt werden müssen.
Alleinerziehende nutzen überdurchschnittlich stark Ganztagsangebote. 567 Oft sind sie darüber
hinaus im besonderen Maß auf dauerhafte Betreuung in atypischen Zeiten und temporäre
Betreuung in besonderen Lebenssituationen angewiesen, weil der Rückgriff auf den
anderen Elternteil nicht möglich ist. Hier besteht im Land Bremen großer Entwicklungsbedarf.
Gute - leider noch solitäre - Beispiele wie der Familienservice (nur für Arbeitnehmerinnen
und –nehmer von kooperierenden Betrieben), Kids & Ko (flexible Kurzzeitbetreuung) und
das Kinderhotel (Übernachtungen für Kinder beispielsweise an Wochenenden) - alles Angebote
des Landesverbands evangelischer Tageseinrichtungen - zeigen in diese Richtung.
Die Betreuungsqualität spielt für Alleinerziehende eine wichtige Rolle. Sie wollen ihre Kinder
nicht nur über einen Teil des Tages versorgt wissen. Tagesbetreuung oder –pflege vermitteln
gleichzeitig wichtige Sozialisationserfahrungen wie die Interaktion mit anderen Kindern, wenn
keine Geschwister da sind, oder mit anderen, im besten Fall auch männlichen Bezugspersonen,
wenn es denn Männer als Pädagogen gibt.
Studien aus dem anglo-amerikanischen Raum weisen in diesem Zusammenhang darauf hin,
dass Einkommensarmut zu einer Belastung der „familiären Qualität“ führen kann. Nicht nur
wegen der Frage der Vereinbarkeit von Betreuungspflichten mit der Erzielung eines angemessenen
Erwerbseinkommens sind Betreuungsangebote für Alleinerziehende zentral, sondern
auch zur Alltagsentlastung und Realisierung von inner- und außerfamiliärer „quality
time“ für alle Familienmitglieder. 568
Ausreichende Betreuungsquantitäten anzubieten - für alle Altersgruppen und auch in zeitlich
flexiblen Varianten - und gleichzeitig eine hohe Qualität zu sichern, sind wichtige kommunale
Aufgaben. Das Land Bremen hat bei beiden Aspekten bei den institutionalisierten Angeboten
weiterhin Nachhol- und Entwicklungsbedarf, wie die folgende Tabelle belegt. Sie sind stärker
rationiert als in anderen Bundesländern, vor allem auch im Vergleich mit anderen städtischen
Ballungsgebieten, und sind vor allem durch steuernde Vorgaben, weniger durch den tatsächlichen
Bedarf determiniert.
567 Einzelheiten zur Entwicklung der Ganztagsbetreuung vgl. 3.1.4.1.
568 Vgl. Spieß / Berger / Groh-Samberg 2008.
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Lebenslagen im Land Bremen 2009