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Lebenslagen im Land Bremen Armuts - Bremische Bürgerschaft

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In den 90er Jahren herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass (materielle) Armut die<br />

Problematik moderner Gesellschaften nicht hinreichend erfassen kann. 23 Anerkannt werden<br />

müssten auch nichtmaterielle Bedürfnisse der Menschen und ihre Eingebundenheit in übergreifende<br />

gesellschaftliche Prozesse. Zu diesen übergreifenden, strukturellen Faktoren, die<br />

Exklusion bewirken können, werden die Folgen der Umbrüche in den Industriegesellschaften<br />

gezählt: anhaltende Arbeitslosigkeit, veränderte Familien- und Geschlechterbeziehungen<br />

sowie die Trends der sozialen Fragmentierung und der Migration 24 . Der Begriff der Exklusion<br />

wurde deshalb dem <strong>Armuts</strong>begriff vorgezogen, weil er soziale Verwerfungen explizit mit<br />

wirtschaftlichen und sozialen Prozessen des gesellschaftlichen Umbruchs verbindet. Der<br />

Begriff war damals stark durch die französische Tradition geprägt und meinte gesellschaftliche<br />

Prozesse, für welche die Gesellschaften Verantwortung haben und übernehmen müssen.<br />

Mit dem Jahr 2000 wurde die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung außerdem ein Teil<br />

der „Lissabon-Strategie“ 25 . Damit verbunden wurde die politische Bearbeitung von Exklusion<br />

erheblich erweitert und systematisiert. In so genannten nationalen Aktionsplänen sollen die<br />

Mitgliedsstaaten nicht allein ihre Politikstrategien gegen soziale Exklusion beschreiben und<br />

veröffentlichen, sondern auch durch quantifizierte Zielsetzungen und entsprechende Evaluation<br />

überprüfbar machen. 26 Die Bezeichnung als Nationale Aktionspläne zur Inklusion weist<br />

jedoch wiederum auf eine Bedeutungsverschiebung hin.<br />

Erhöht wurde vor allem der Druck, vom Thema „Exklusion“ als Problembeschreibung zum<br />

Thema „Inklusion“ als politische Handlungsorientierung überzugehen. 27 Von den Mitgliedsstaaten<br />

wird die Ausformulierung einer übergreifenden Strategie zur sozialen Inklusion gefordert.<br />

Mit diesem erneuten Perspektivenwechsel, vom Begriff sozialer Exklusion zur sozialen<br />

Integration, sind wiederum auch konzeptionelle Verschiebungen und Kontroversen verbunden.<br />

Im Mittelpunkt dieser Kontroversen steht die starke Betonung des Zusammenhangs von Beschäftigung<br />

und Inklusion. Die erneuerten, übergreifenden Zielvorgaben der Lissabon-<br />

Strategie 2005 (Wachstum, mehr und bessere Arbeitsplätze, Chancengleichheit, soziale Kohäsion),<br />

thematisieren bei den Zielsetzungen den kausalen Zusammenhang zwischen Beschäftigung<br />

und Inklusion 28 in veränderter Weise. 29 Nahe gelegt wird der Schluss, bereits die<br />

Förderung des Wirtschaftswachstums diene durch positive Arbeitsmarkteffekte quasi automatisch<br />

auch der Bekämpfung von Exklusion. Insbesondere aber wird in der erneuerten Lissabon-Strategie<br />

auch eine bessere Anpassung der Menschen an den Arbeitsmarkt thematisiert.<br />

Sie sollen in den Arbeitsmarkt „gezogen“ werden und das Arbeitskräfteangebot vergrö-<br />

23<br />

Vgl. Room 1990-1; Kronauer 2002-1.<br />

24<br />

Vgl. Bernhard 2006, S. 2.<br />

25<br />

Als „Ausgrenzungsfaktoren“ werden Langzeitarbeitslosigkeit, der erzwungene Rückzug vom Arbeitsmarkt, der<br />

häufige Wechsel zwischen Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit und Zeiten niedriger Erwerbseinkommen<br />

bzw. ungesicherter Arbeitsverhältnisse genannt (Vgl. EU-Kommission 2000-1; 2000-2).<br />

26<br />

CEC 2006-1.<br />

27<br />

Vgl. Bernhard 2006-1, S. 3.<br />

28<br />

Diese zielt auf einen „Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren<br />

Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“ (vgl. Europäischer Rat 2000-1). Mit<br />

dieser übergeordneten wirtschaftlichen Zielvorgabe geht es auch um eine Modernisierung des europäischen<br />

Sozialmodells, mit Hilfe der „Offenen Koordinierungsmethode“ (vgl. Europäischer Rat 2001-1; Hauser 2002-1).<br />

Der erste Punkt der neuen Zielvorgabe für den Ausgrenzungsbereich lautet: „Ensure the active social inclusion of<br />

all by promoting participation in the labour market and by fighting poverty and exclusion among the most marginalized<br />

people and groups“ (CEC 2005-1, S. 5).<br />

29<br />

Vgl. CEC 2005-1, S. 5.<br />

<strong>Lebenslagen</strong> <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bremen</strong> 2009 35

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