Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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72 Der Auszug aus diesem interessanten<br />
Dokument befindet sich<br />
in einer Besprechung der Schrift:<br />
›Observations on the Injurious<br />
Consequences of the Restrictions<br />
upon Foreign Commerce. By a<br />
Member of the late Parliament‹,<br />
London 1820. <strong>Die</strong>ser freihändlerische<br />
Aufsatz malt überhaupt die<br />
Lage der Arbeiter in England in<br />
den düstersten Farben. Er führt unter<br />
anderem folgende Tatsachen<br />
an: ›The manufacturing classes in<br />
Great Britain – have been suddenly<br />
reduced from affluence and prosperity<br />
to the extreme of poverty<br />
and misery. In one of the debates<br />
in the late Session of Parliament,<br />
it was stated, that the wages of<br />
weavers of Glasgow and its vicinity,<br />
which, when higher, had averaged<br />
about 25 s. or 27 s. a week,<br />
had been reduced in 1816 to 10 s.;<br />
and in 1819 to the wretched pittance<br />
of 5 s. 6 d. or 6 s. They have<br />
not since been materially augmented.‹<br />
In Lancashire schwankten<br />
die Wochenlöhne der Weber<br />
nach demselben Zeugnis zwischen<br />
6 und 12 Schilling bei 15stündiger<br />
Arbeitszeit, während ›halbverhungerte<br />
Kinder‹ für 2 oder 3 Shilling<br />
die Woche 12 bis 16 Stunden<br />
täglich arbeiteten. Das Elend in<br />
Yorkshire war womöglich noch größer.<br />
In bezug auf die Adresse der<br />
Nottinghamer Strumpfwirker sagt<br />
der Verfasser, daß er die Verhältnisse<br />
selbst untersucht hätte und<br />
zu dem Schlusse gelangt wäre, daß<br />
die Erklärungen der Arbeiter nicht<br />
im geringsten übertrieben waren.<br />
(The Edinburgh Review, Mai 1820,<br />
S.331ff)<br />
ermüdenden Arbeit eines ganzen Tages häufi g gezwungen gewesen sind, unsere<br />
Kinder hungrig zu Bett zu schicken um ihr Schreien nach Brot nicht zu hören.<br />
Wir erklären auf das feierlichste, daß wir während der letzten achtzehn Monate<br />
kaum je das Gefühl der Sättigung gehabt haben.‹⁷²<br />
Fast gleichzeitig erhoben dann ihre Stimme zu einer wuchtigen<br />
Anklage gegen die kapitalistische Gesellschaft Owen in England und Sismondi<br />
in Frankreich. Während Owen jedoch, als praktischer Engländer und als Bürger<br />
<strong>des</strong> ersten Industriestaates, sich zum Wortführer einer großzügigen sozialen<br />
Reform machte, verlief sich der schweizerische Kleinbürger in breite Anklagen<br />
gegen die Unvollkommenheiten der bestehenden Gesellschaftsordnung und gegen<br />
die klassische Ökonomie. Doch dadurch gerade hat Sismondi der bürgerlichen<br />
Ökonomie viel härtere Nüsse zu knacken gegeben als Owen, <strong>des</strong>sen fruchtbare<br />
praktische Wirksamkeit sich direkt an das Proletariat wendete.<br />
Daß es England und namentlich die erste englische Krise war, wovon<br />
Sismondi zu seiner sozialen Kritik Anstoß erhielt, schildert er uns selbst ausführlich<br />
in der Vorrede zur 2. Aufl age seiner ›Nouveaux principes d’économie politique<br />
ou de la richesse dans ses rapports avec la population‹. (<strong>Die</strong> erste Aufl age ist<br />
1819, die zweite acht Jahre später erschienen.)<br />
›In England war es, wo ich diese Aufgabe gelöst habe. England hat die berühmtesten<br />
Volkswirte hervorgebracht. Ihre Lehren werden dort heute noch<br />
mit einer verdoppelten Wärme vorgetragen … Der allgemeine Wettbewerb oder<br />
der Wunsch, immer mehr zu produzieren und zu immer billigerem Preise, ist<br />
seit langer Zeit das in England maßgebende System. Ich habe dieses System als<br />
gefährlich angegriff en, dies System, das Englands Industrie die ungeheuerlichsten<br />
Fortschritte hat machen lassen, aber das in seinem Verlauf die Arbeiter in<br />
ein erschrecken<strong>des</strong> Elend gestürzt hat. Neben diese Zuckungen <strong>des</strong> Reichtums<br />
habe ich geglaubt mich stellen zu sollen, um meine Ausführungen noch einmal<br />
zu überlegen und sie mit den Tatsachen zu vergleichen.<br />
Das Studium Englands hat mich in meinen ‚neuen Grundsätzen’ befestigt.<br />
In diesem überraschenden Lande, das eine große Erfahrung zur Belehrung der<br />
übrigen Welt in sich zu bergen scheint, habe ich die Produktion zunehmen und<br />
die Genüsse abnehmen sehen. <strong>Die</strong> Masse der Bevölkerung scheint dort ebenso<br />
wie die Philosophen zu vergessen, daß das Anwachsen der Reichtümer nicht der<br />
Zweck der politischen Ökonomie ist, sondern das Mittel, <strong>des</strong>sen sie sich bedient,<br />
um das Glück aller zu fördern. Ich habe dieses Glück in allen Klassen gesucht,<br />
es aber nirgends fi nden können. Tatsächlich ist die hohe englische Aristokratie<br />
bei einem Grad <strong>des</strong> Reichtums und <strong>des</strong> Luxus angelangt, der alles übersteigt,<br />
was man bei allen übrigen Völkern zu sehen bekommt. In<strong>des</strong>sen erfreut sie sich<br />
selbst nicht der Fülle, die sie auf Kosten der anderen Klassen erworben zu haben<br />
scheint; es mangelt ihr die Sicherheit: Entbehrung macht sich in jeder <br />
Familie noch mehr bemerkbar als der Überfl uß … Unter dieser betitelten und<br />
nicht betitelten Aristokratie nimmt der Handel eine hervorragende Stellung<br />
ein, seine Unternehmungen umfassen die ganze Welt, seine Angestellten bieten<br />
dem Polareise und der Hitze <strong>des</strong> Äquators Trotz, während jeder der Chefs,<br />
die sich auf der Börse versammeln, über Millionen gebietet. Zu gleicher Zeit<br />
stellen in allen Straßen Londons sowie in denen der anderen großen Städte<br />
Englands die Läden Waren zur Schau, die dem Verbrauch <strong>des</strong> Weltalls genügen<br />
würden. Bringt aber der Reichtum dem englischen Händler die Art von Glück,<br />
die er zu gewähren imstande ist? Nein, in keinem Lande sind die Bankrotte so<br />
102 Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems