Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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A ›die allgemeine Verbreitung<br />
der Warenproduktion‹: die ›Reali sierung‹<br />
<strong>des</strong> Mehrwerts, d. i. der Verkauf<br />
<strong>des</strong> Zyklenprodukts W +—G + als<br />
›einfache Warenproduktion‹ ist eine<br />
›theoretische Fiktion‹. Bei der einfachen<br />
Warenproduktion handelt es<br />
sich im wesentlichen um die eher<br />
zufälligen Überschüsse einer Selbstbedarfswirtschaft<br />
–Austausch an<br />
den Grenzen <strong>des</strong> Gemeinwesens –<br />
oder um den Prozeß W—G—W, wobei<br />
die Dazwischenkunft von Geld –<br />
einfache Warenzirkulation – nur<br />
das Erscheinen als verschwinden<strong>des</strong><br />
Tauschmittel ist. ›<strong>Die</strong> einfache Waren<br />
zirkulation beginnt mit dem Verkauf<br />
und endet mit dem Kauf, die<br />
Zirkulation <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong> als Kapital<br />
beginnt mit dem Kauf und endet<br />
mit dem Verkauf. Dort bildet die<br />
Ware, hier das Geld den Ausgangspunkt<br />
und Schlußpunkt der Bewegung.<br />
In der ersten Form vermittelt<br />
das Geld, in der andren umgekehrt<br />
die Ware den Gesamt verlauf. In der<br />
Zirkulation W—G—W wird das Geld<br />
schließlich in Ware verwandelt, die<br />
als Gebrauchswert dient. Das Geld<br />
ist also definitiv ausgegeben. In der<br />
umgekehr ten Form G—W—G gibt<br />
der Käufer dagegen Geld aus, um<br />
als Verkäufer Geld einzunehmen. Er<br />
wirft beim Kauf der Ware Geld in<br />
die Zirkula tion, um es ihr wieder zu<br />
entziehn durch den Verkauf derselben<br />
Ware. Er entläßt das Geld nur<br />
mit der hinterlistigen Absicht, seiner<br />
wieder habhaft zu werden. […]<br />
In der Form W—G—W wechselt dasselbe<br />
Geldstück zweimal die Stelle.<br />
Der Verkäufer erhält es vom Käufer<br />
und zahlt es weg an einen andren<br />
Verkäufer. Der Gesamtprozeß, der<br />
mit der Einnahme von Geld für<br />
Ware beginnt, schließt ab mit der<br />
Weggabe von Geld für Ware. [Karl<br />
Marx, Das Kapitak Bd.1 (MEW 23).<br />
Berlin 1972, S.163].<br />
R.L. erklärt nicht, wie dadurch<br />
das zunehmend für die ›Realisierung‹<br />
stetig wachsender Mehrwertmengen<br />
benötigte Geld entsteht.<br />
B Demnach kann ›das Kapital‹<br />
nur wachsen, indem es an die Stelle<br />
der einfachen Warenproduktion<br />
tritt; augenscheinlich unzutreffend.<br />
R.L. macht hier den [›frühen‹] ›Kapitalexport‹<br />
zum Gegenstand ihrer<br />
Untersuchung, <strong>des</strong>sen ›eigentliche‹<br />
Ent faltung erst nach Klärung <strong>des</strong><br />
›kolo nia len Vorurteils‹ durch zwei<br />
Welt kriege 1945 beginnt und nach<br />
1989 [Ende <strong>des</strong> ›Kalten Krieges‹] zunehmend<br />
ungehemmt beschleunigt.<br />
Demnach betrug der Zuwachs [in Prozent]<br />
Europa Amerika Asien Afrika Australien<br />
1840—50 710 215 — — —<br />
1850—60 121 257 — — —<br />
1860—70 102 73 486 350 350<br />
1870—80 61 88 99 156 333<br />
1880—90 32 89 107 104 142<br />
1890—1900 27 21 79 114 27<br />
<strong>Die</strong> mit dem Eisenbahnbau wie mit den Militärrüstungen verknüpfte öffentliche<br />
Anleihe begleitet alle Stadien der Kapitalakkumulation: die Einführung<br />
der Warenwirtschaft, die Industrialisierung der Länder und kapitalistische Revo<br />
lutionierung der Landwirtschaft wie auch die Emanzipation der jungen kapitalistischen<br />
Staaten. <strong>Die</strong> Funktionen der Anleihe in der Kapitalakkumulation<br />
sind mannigfache: Verwandlung von Geld nichtkapitalistischer Schichten, Geld<br />
als Warenäquivalent (Ersparnisse <strong>des</strong> kleinen Mittelstan<strong>des</strong>) oder Geld<br />
als Konsumtionsfonds <strong>des</strong> Anhanges der Kapitalistenklasse in Kapital, Verwand<br />
lung von Geldkapital in produktives Kapital vermittelst staatlicher Eisenbahn<br />
bauten und Militärlieferungen, Übertragung akkumulierten <strong>Kapitals</strong> aus<br />
alten kapitalistischen Ländern in junge. <strong>Die</strong> Anleihe übertrug im 16. und 17. Jahrhundert<br />
das Kapital aus den italienischen Städten nach England, im 18. Jahrhundert<br />
aus Holland nach England, im 19. Jahrhundert aus England nach den<br />
amerikanischen Republiken und nach Australien, aus Frankreich, Deutschland<br />
und Belgien nach Rußland, gegenwärtig aus Deutschland nach der Türkei, aus<br />
England, Deutschland, Frankreich nach China und unter Vermittlung Rußlands<br />
nach Persien.<br />
In der imperialistischen Periode spielt die äußere Anleihe die hervorragendste<br />
Rolle als Mittel der Verselbständigung junger kapitalistischer Staaten.<br />
Das Widerspruchsvolle der imperialistischen Phase äußert sich handgreifl ich in<br />
den Widersprüchen <strong>des</strong> modernen Systems der äußeren Anleihen. <strong>Die</strong>se sind<br />
unentbehrlich zur Emanzipation der aufstrebenden kapitalistischen Staaten<br />
und zugleich das sicherste Mittel für alte kapitalistische Staaten, die jungen<br />
zu bevormunden, die Kontrolle ihrer Finanzen und den Druck auf ihre auswärtige<br />
Politik, Zoll- und Handelspolitik auszuüben. Sie sind das hervorragendste<br />
Mittel, dem akkumulierten Kapital alter Länder neue Anlagesphären<br />
zu eröff nen und zugleich jenen Ländern neue Konkurrenten zu schaff en, den<br />
Spielraum der Kapitalakkumulation im ganzen zu erweitern und ihn gleichzeitig<br />
einzuengen.<br />
<strong>Die</strong>se Widersprüche <strong>des</strong> internationalen Anleihesystems sind ein klassischer<br />
Beleg dafür, wie sehr die Bedingungen der Realisierung und die der<br />
Kapitalisierung <strong>des</strong> Mehrwerts zeitlich und örtlich auseinanderfallen. <strong>Die</strong> Realisierung<br />
<strong>des</strong> Mehrwerts erfordert nur die allgemeine Verbreitung der Wa renproduktion,<br />
A seine Kapitalisierung hingegen erfordert die fortschreitende Verdrän<br />
gung der einfachen Warenproduktion durch die Kapitalproduktion, wodurch<br />
sowohl die Realisierung wie die Kapitalisierung <strong>des</strong> Mehrwerts in immer<br />
engere Schranken eingezwängt werden. B <strong>Die</strong> Verwendung <strong>des</strong> internationalen<br />
<strong>Kapitals</strong> zum Ausbau <strong>des</strong> Welteisenbahnnetzes widerspiegelt diese Verschiebung.<br />
In den 30er bis 60er Jahren <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts dienten die Eisenbahnbauten<br />
280 <strong>Die</strong> geschichtlichen Bedingungen der <strong>Akkumulation</strong>