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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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← Anmerkung auf S.133:<br />

93 Marx streift in seiner Geschichte<br />

der Opposition gegen die<br />

Ricardosche Schule und deren Auflösung<br />

Sismondi nur ganz kurz. Er<br />

sagt an einer Stelle : ›Ich schließe<br />

Sismondi hier aus meiner historischen<br />

Übersicht aus, weil die Kritik<br />

seiner Ansichten in einen Teil gehört,<br />

den ich nur erst nach dieser<br />

Schrift behandeln kann, die reale<br />

Bewegung <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong> (Konkurrenz<br />

und Kredit)‹. (Theorien über den<br />

Mehrwert, Bd. III., S.52) [Karl Marx:<br />

Theorien über den Mehrwert, Dritter<br />

Teil. In: Karl Marx/Friedrich<br />

Engels: Werke, Bd.26.3, S.46] Etwas<br />

weiter widmet Marx jedoch, im<br />

Zusammenhang mit Malthus, auch<br />

Sismondi einen allerdings in seinen<br />

großen Zügen er schöpfenden<br />

Passus: ›Sismondi hat das tiefe<br />

Gefühl, daß die kapitali stische Produk<br />

tion sich widerspricht; daß ihre<br />

Formen – ihre Produktionsver hältnisse<br />

– einerseits zur unge zügelten<br />

Entwicklung der Pro duk tiv kraft und<br />

<strong>des</strong> Reichtums spornen; daß diese<br />

Verhältnisse andrerseits bedingte<br />

sind, deren Widersprüche von<br />

Gebrauchswert und Tauschwert,<br />

Ware und Geld, Kauf und Verkauf,<br />

Produktion und Konsumtion,<br />

Kapital und Lohnarbeit etc. um so<br />

größre Dimensionen annehmen, je<br />

weiter sich die Produktivkraft entwickelt.<br />

Er fühlt namentlich den<br />

Grundwiderspruch: Ungefesselte<br />

Entwicklung der Produktivkraft und<br />

Vermehrung <strong>des</strong> Reichtums, der zugleich<br />

aus Waren besteht, versilbert<br />

werden muß, einerseits; andrerseits<br />

als Grundlage Einschränkung der<br />

Masse der Produzenten auf die<br />

necessaries. Hence sind bei ihm<br />

die Krisen nicht wie bei Ric(ardo)<br />

Zufälle, sondern wesentliche Ausbrüche<br />

der immanenten Widersprüche<br />

auf großer Stufenleiter<br />

und zu bestimmten Perioden. Er<br />

schwankt nun beständig: Sollen<br />

die Produktivkräfte von Staats wegen<br />

gefesselt werden, um sie den<br />

Produktionsverhältnissen adäquat<br />

zu machen, oder die Produk<br />

tionsverhältnisse, um sie den<br />

Produktivkräften adäquat zu machen?<br />

Er flüchtet sich dabei oft<br />

in die Vergangenheit; wird laudator<br />

temporis acti oder möchte<br />

auch durch andre Regelung der<br />

Revenue im Verhältnis zum Kapital<br />

oder der Distribution im Verhältnis<br />

zur Produktion die Widersprüche<br />

bändigen, nicht begreifend, daß<br />

die Distributionsverhältnisse nur<br />

2.<br />

<strong>Die</strong> Aufl ösung <strong>des</strong> Rätsels wurde aber auch schon dadurch unmöglich<br />

ge macht, weil die ganze Diskussion auf ein Nebengeleise geschoben und um<br />

das Problem der Krisen konzentriert wurde. Der Ausbruch der ersten Krise<br />

be herrschte naturgemäß die Diskussion, verhinderte aber ebenso naturgemäß<br />

auf beiden Seiten die Einsicht in die Tatsache, daß Krisen überhaupt nicht<br />

Problem der <strong>Akkumulation</strong>, sondern bloß deren spezifi sche äußere Form, bloß<br />

ein Moment in der zyklischen Figur der kapitalistischen Reproduktion darstellen.<br />

Daraus ergab sich, daß die Debatte schließlich in ein doppeltes Quidproquo<br />

auslaufen mußte: <strong>Die</strong> eine Seite deduzierte dabei direkt aus den Krisen die<br />

Unmöglichkeit der <strong>Akkumulation</strong>, die andere direkt aus dem Warenaustausch<br />

die Unmöglichkeit der Krisen. Der weitere Verlauf der kapitalistischen Entwicklung<br />

sollte beide Deduktionen gleichermaßen ad absurdum führen.<br />

Bei alledem bleibt Sismondis Kritik als erster theoretischer Alarmruf gegen<br />

die <strong>Kapitals</strong>herrschaft von hoher historischer Bedeutung: Er zeigt die Auflösung<br />

der klassischen Ökonomie an, die mit den von ihr selbst wachgerufenen<br />

Problemen nicht fertig werden konnte. Wenn Sismondi gegen die Konsequenzen<br />

der kapitalistischen Herrschaft einen Angstschrei ausstößt, so war er sicher nicht<br />

ein Reaktionär in dem Sinne, daß er etwa für vorkapitalistische Verhältnisse<br />

schwärmte, wenn er auch gelegentlich die patriarchalischen Produktionsformen<br />

in Landwirtschaft und Gewerbe mit Wohlgefallen gegen die <strong>Kapitals</strong>herrschaft<br />

in Vorteil setzt. Er verwahrt sich dagegen wiederholt und sehr energisch, so z. B.<br />

in seinem Aufsatz in der ›Revue encyclopédique‹ gegen Ricardo: ›Ich höre schon<br />

den Einwand erheben, daß ich mich der Vervollkommnung <strong>des</strong> Landbaues, der<br />

Künste und aller Fortschritte <strong>des</strong> Menschen entgegenstelle, daß ich ohne<br />

Zweifel die Barbarei der Gesittung vorziehe, da der Pfl ug eine Maschine ist und<br />

das Grabscheit eine noch ältere, und daß nach meinem System der Mensch<br />

die Erde lediglich mit seinen Händen hätte bearbeiten sollen. Ich habe nichts<br />

Ähnliches gesagt, und ich muß mich ein für allemal gegen jede Folgerung verwahren,<br />

die man meinem System unterlegt und die ich nicht selbst gezogen<br />

habe. Ich bin weder von denen, die mich angreifen, noch von denen, die mich<br />

verteidigen, verstanden worden, und mir ist ebensooft über meine Verbündeten<br />

wie über meine Gegner die Schamröte ins Gesicht gestiegen … Man beachte<br />

wohl, nicht gegen die Maschinen, nicht gegen die fortschreitende Gesittung oder<br />

gegen die Erfi ndungen richten sich meine Einwendungen, sondern gegen die<br />

heutige Organisation der Gesellschaft, eine Organisation, die, während sie den<br />

Arbeitenden je<strong>des</strong> anderen Eigentums beraubt als seiner Arme, ihm nicht die geringste<br />

Gewähr gibt gegen einen Wettbewerb, gegen den tollen Handel, der stets<br />

zu seinem Nachteil ausschlägt und <strong>des</strong>sen Opfer er naturgemäß werden muß.‹<br />

Der Ausgangspunkt in der Kritik Sismondis sind zweifellos die Interessen <strong>des</strong><br />

Proletariats, und er ist vollkommen im Recht, wenn er seine Grundtendenz so<br />

formuliert: ›Ich wünsche nur nach Mitteln zu suchen, die Früchte der Arbeit<br />

denen zu sichern, die die Arbeit leisten, den Nutzen der Maschine dem zuzuwenden,<br />

der die Maschine in Tätigkeit setzt.‹ Freilich, wenn er die soziale<br />

Organisation näher angeben soll, die er anstrebt, kneift er aus und bekennt seine<br />

Unfähigkeit: ›Was wir tun sollen, ist eine Frage von unbegrenzter Schwierigkeit,<br />

die wir keineswegs die Absicht haben, heute zu behandeln. Wir wünschen die<br />

Nationalökonomen zu überzeugen, so vollständig, wie wir selbst davon überzeugt<br />

sind, daß ihre Wissenschaft bis jetzt eine falsche Bahn verfolgt hat. Wir<br />

132 Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems

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