Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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Siebzehntes Kapitel<br />
Rodbertus’ Analyse der Reproduktion<br />
Was soll es vor allem bedeuten, daß die Verringerung <strong>des</strong> Anteils der Arbeiter<br />
›sofort‹ Überproduktion und Handelskrisen hervorrufen müsse? <strong>Die</strong>se<br />
Auff as sung wird nur begreifl ich, wenn man voraussetzt, daß Rodbertus sich<br />
das ›Nationalprodukt‹ aus zwei Teilen bestehend vorstellt, aus dem Anteil der<br />
Arbeiter und dem Anteil der Kapitalisten, also v + m, wobei sich etwa der eine<br />
Teil gegen den anderen austauscht. In der Tat spricht Rodbertus stellenweise beinahe<br />
in diesem Sinne, so, wenn er im ›Ersten socialen Briefe‹ sagt: ›<strong>Die</strong> Armut<br />
der arbeitenden Klassen läßt niemals zu, daß ihr Einkommen ein Bett für die<br />
anschwellende Produktion abgebe. Das Übermaß von Produkten, das in den<br />
Händen der Arbeiter nicht bloß deren Lage verbessern, sondern zugleich ein<br />
Gewicht abgeben würde, um den Wert <strong>des</strong> bei den Unternehmern verbleibenden<br />
Restes zu steigern und diesen damit die Bedingung der Fortsetzung ihrer<br />
Betriebe in dem bisherigen Umfange zu gewähren, drückt auf seiten der<br />
Unternehmer den Wert <strong>des</strong> ganzen Produkts so tief, daß jene Bedingung verschwindet,<br />
und überläßt im besten Falle die Arbeiter ihrem gewohnten Mangel.¹¹⁷<br />
Das ›Gewicht‹, das in den Händen der Arbeiter ›den Wert‹ <strong>des</strong> bei den<br />
Unternehmern ›verbleibenden Restes‹ steigert, kann hier nur Nachfrage bedeuten.<br />
Damit wären wir glücklich angelangt in dem famosen ›Ort‹ v. Kirchmanns,<br />
wo die Arbeiter mit den Kapitalisten einen Austausch ihrer Löhne gegen das<br />
Mehrprodukt ausführen und wo die Krisen <strong>des</strong>halb entstehen, weil das variable<br />
Kapital klein und der Mehrwert groß ist. <strong>Die</strong>se seltsame Vorstellung ist schon<br />
oben besprochen worden. An anderen Stellen gibt jedoch Rodbertus eine abweichende<br />
Auff assung zum besten. Im ›Vierten socialen Brief‹ deutet er seine<br />
Th eorie so, daß die ständige Verschiebung im Verhältnis der Nachfrage, die<br />
durch den Anteil der Arbeiterklasse dargestellt, und derjenigen, die durch den<br />
Anteil der Kapitalistenklasse bewirkt wird, eine chronische Disproportion zwischen<br />
Produktion und Konsumtion hervorrufen müsse: ›Aber wie, wenn sich<br />
nun die Unternehmer zwar immerfort in den Grenzen jener Anteile zu halten<br />
suchen, aber diese Anteile selbst sich bei der großen Mehrzahl der Gesellschaft,<br />
den Arbeitern, nach und nach mit unvermerkter, aber unwiderstehlicher Gewalt<br />
immerfort verkleinerten? Wenn sie sich bei diesen Klassen immerfort in demselben<br />
Maße verkleinerten, als sich deren Produktivität vergrößerte?‹ ›Ob <strong>des</strong>halb<br />
nicht die Kapitalisten, während sie nur nach der bisherigen Große der Anteile<br />
die Produktion einrichten und einrichten mußten, um den Reichtum allgemein<br />
zu machen, dennoch immerfort über die bisherigen Anteile hinaus produzieren<br />
und also eine stete Nichtbefriedigung, die sich zu einer Absatzstockung … steigert,<br />
veranlassen?‹¹¹⁸<br />
Demnach haben wir uns die Krisen folgendermaßen zu erklären: Das<br />
Nationalprodukt besteht aus einer Anzahl ›ordinärer Waren‹, wie v. Kirchmann<br />
sagt, für die Arbeiter und feinerer Waren für die Kapitalisten. <strong>Die</strong> Menge jener<br />
wird durch die Summe der Löhne, dieser durch den Gesamtmehrwert dargestellt.<br />
Richten sich die Kapitalisten bei ihrer Produktion danach ein und schreitet<br />
dabei die Produktivität fort, so muß sich schon im nächsten Augenblick ein<br />
Mißverhältnis herausstellen. Denn der Anteil der Arbeiter von heute ist nicht<br />
mehr der von gestern, sondern geringer; bildete gestern die Nachfrage nach ›ordinären<br />
Waren‹, sagen wir, sechs Siebentel <strong>des</strong> Nationalprodukts, so bildet sie<br />
Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 157<br />
117 l.c., Bd. III, S.176<br />
118 l.c., Bd. I, S.53 u. 57