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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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Anmerkung 113 A<br />

Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu sehen wie Rodbertus unbeschadet seiner ethischen<br />

Polterei über das Los der unglücklichen arbeitenden Klassen in der Praxis als ein äußerst<br />

nüchterner und realistisch denkender Prophet der kapitalistischen Kolonialpolitik im Sinne<br />

und Geiste der heutigen ›Alldeutschen‹ auftrat. ›Von hier‹ schreibt er in der Fußnote zum angeführten<br />

Passus, ›mag man einen raschen Blick auf die Wichtigkeit der Erschließung Asiens,<br />

na mentlich Chinas und Japans, dieser reichsten Märkte der Welt, sowie der Erhaltung Indiens<br />

unter englischer Herrschaft werfen. <strong>Die</strong> soziale Frage gewinnt dadurch Zeit (der donnernde<br />

Rächer der Ausgebeuteten verrät hier naiv den Nutznießern der Ausbeutung das Mittel, wie<br />

sie ihren ›törichten und verbrecherischen Irrtum‹, ihre ›unmoralische‹ Auffassung, ihre ›schreiende<br />

Ungerechtigkeit‹ möglichst lange konservieren können! – R.L) denn, (diese philosophische<br />

Resignation ist unvergleichlich – R.L) der Gegenwart gebricht es zu ihrer Lösung<br />

an Uneigennützigkeit und sittlichem Ernst, ebensosehr als an Einsicht. Ein volkswirtschaftlicher<br />

Vorteil ist nun allerdings kein genügender Rechtstitel zu gewaltsamem Einschreiten.<br />

Allein andererseits ist auch die strikte Anwendung <strong>des</strong> modernen Natur- und Völkerrechts auf<br />

alle Nationen der Erde, sie mögen einer Kulturstufe angehören, welcher sie wollen, unhaltbar.<br />

(Wer denkt da nicht an dir Worte Dorinens im Molièreschen ›Tartuffe‹: ›Le ciel défend, de<br />

vraie, certains contentements, mais il y avec lui <strong>des</strong> accomodements.‹ – R.L) Unser Völkerrecht<br />

ist ein Produkt der christlich-ethischen Kultur und kann, weil alles Recht auf Gegenseitigkeit<br />

beruht, <strong>des</strong>halb auch nur ein Maß für die Beziehungen zu Nationen sein, die dieser selben<br />

Kultur angehören. Seine Anwendung über diese Grenze hinaus ist natur- und völkerrechtliche<br />

Sentimentalität, von der die indischen Greuel B uns geheilt haben werden. Vielmehr<br />

sollte das christliche Europa etwas von dem Gefühl in sich aufnehmen, das die Griechen und<br />

Römer bewog, alle anderen Völker der Erde als Barbaren zu betrachten. Dann würde auch in<br />

den neueren europäischen Nationen wieder jener weltgeschichtliche Trieb wach werden, der<br />

die Alten drängte, ihre heimische Kultur über den Orbis terrarum zu verbreiten. Sie würden<br />

in gemeinsamer Aktion Asien der Geschichte zurückerobern. Und an diese Gemeinsamkeit<br />

würden sich die größten sozialen Fortschritte knüpfen, die feste Begründung <strong>des</strong> europäischen<br />

Friedens, die Reduktion der Armeen, eine Kolonisation Asiens im altrömischen Stil,<br />

mit andern Worten, eine wahrhafte Solidarität der Interessen auf allen gesellschaftlichen<br />

Lebensgebieten.‹ Der Prophet der Ausgebeuteten und Unterdrückten wird hier bei den Visionen<br />

der kapitalistischen Kolonialexpansion beinah zum Dichter. Und dieser poetische Schwung will<br />

um so mehr gewürdigt werden, als die ›christlich-ethische Kultur‹ sich just damals mit solchen<br />

Ruhmestaten bedeckte wie den Opiumkriegen gegen China a und den ›indischen Greuel‹ – nämlich<br />

den Greuel der Engländer bei der blutigen Unterdrückung <strong>des</strong> Sepoyaufstan<strong>des</strong>. b In seinem<br />

›Zweiten socialen Brief‹, im Jahre 1850, meinte Rodbertus zwar, wenn der Gesellschaft ›die<br />

sittliche Kraft‹ zur Lösung der sozialen Frage, d. h. zur Änderung der Verteilung <strong>des</strong> Reichtums<br />

fehlen sollte, würde die Geschichte ›wieder die Peitsche der Re vo lution über sie schwingen<br />

müssen‹. C Acht Jahre später zieht er als braver Preuße vor, die Peitsche der christlich-ethischen<br />

Kolonialpolitik über die Eingeborenen der Kolo nialländer zu schwingen. Es ist auch nur folgerichtig,<br />

daß der ›eigentliche Begründer <strong>des</strong> wissenschaftlichen Sozialismus in Deutschland‹<br />

auch ein warmer Anhänger <strong>des</strong> Militarismus und seine Phrase von der ›Reduktion der Armeen‹<br />

nur als eine Licentia poetica im Re<strong>des</strong>chwall zu nehmen war. In seinem ›Zur Beleuchtung<br />

der Socialen Frage‹, 2. Teil, 1. Heft, führt er aus, daß ›die ganze nationale Steuerlast immerfort<br />

nach unten gravitiert, bald in Steigerung der Preise der Lohngüter, bald in dem Druck<br />

auf den Geldarbeitslohn‹, wobei die allgemeine Militärpflicht, ›unter den Gesichtspunkt einer<br />

Staatslast gebracht, bei den arbeitenden Klassen nicht einmal einer Steuer, sondern gleich<br />

einer mehrjährigen Konfiskation <strong>des</strong> ganzen Einkommens gleichkommt.‹ Dem fügt er schleunig<br />

hinzu: ›Um keinem Mißverständnis ausgesetzt zu sein, bemerke ich, daß ich ein entschiedener<br />

Anhänger unserer heutigen Militärverfassung (also der preußischen Militärverfassung<br />

der Konterrevolution – R.L) bin, so drückend sie auch für die arbeitenden Klassen sein mag<br />

und so hoch die finanziellen Opfer scheinbar sind, die den besitzenden Klassen dafür abverlangt<br />

werden.‹ D Nein, Schnock ist entschieden kein Löwe!<br />

Er hat auch die Anarchie der kapitalistischen Privatproduktion<br />

als krisenbildenden Faktor ins Auge gefaßt, allein nur unter anderen Faktoren,<br />

nicht als die eigentliche Ursache der Krisen überhaupt, sondern als Quelle<br />

einer bestimmten Abart Krisen. So sagt er über den Ausbruch der ›Krise‹ im<br />

v. Kirchmannschen ›Ort‹: ›Ich will nun nicht behaupten, daß diese Art der<br />

Absatzstockung nicht auch in der Wirklichkeit vorkäme. Der Markt ist heute<br />

groß, der Bedürfnisse und Produktionszweige sind viele, die Produktivität<br />

ist bedeutend, die Anzeichen <strong>des</strong> Begehrs sind dunkel und trügerisch, die<br />

Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 153<br />

A l.c., Bd. IV, S.233<br />

B [Sepoy]-Aufstand 1857<br />

a <strong>Die</strong> Opiumkriege von 1839 bis<br />

1842 und von 1856 bis 1860 waren<br />

Aggressionskriege <strong>des</strong> europäischen<br />

<strong>Kapitals</strong> gegen China. Ihr Ziel war<br />

die gewaltsame Öffnung <strong>des</strong> chinesischen<br />

Marktes für die profitbringende<br />

Opiumeinfuhr und den<br />

Warenimport der kapitalistischen<br />

Mächte. Den Ersten Opiumkrieg<br />

führte Großbritannien allein, im<br />

Zweiten Opiumkrieg operierten britische<br />

und französische Truppen gemeinsam<br />

gegen China. Im Ergebnis<br />

der Opiumkriege wurden China ungleiche<br />

Verträge aufgezwungen, die<br />

seine kapitalistische Erschließung<br />

und seine Umwandlung in ein halbkoloniales<br />

Land einleiteten.<br />

b Sepoy war die Bezeichnung für<br />

den eingeborenen Soldat der ehemaligen<br />

britischen Kolonialarmee<br />

In Indien. Am 11. Mai 1857 erhoben<br />

sich die Sepoyregimenter in<br />

Mirat auf Grund der Verletzung ihres<br />

religiösen Gefühls durch die<br />

Briten. <strong>Die</strong>se Söldnerrevolte weitete<br />

sich zu einem Volksaufstand<br />

gegen das britische Kolonialregime<br />

aus. 1859 wurde der Aufstand<br />

von der Kolonialmacht endgültig<br />

niedergeschlagen.<br />

C l.c., Bd. II, S.83<br />

D l.c., Bd. III, S.34

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