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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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Man kann vielleicht sagen,<br />

daß die menschliche Gesellschaft<br />

erst durch Arbeit ist, wie aus vielen<br />

Mythen lesbar. In unserem<br />

Kulturkreis das bekannteste ist vermutlich<br />

die Vertreibung aus dem<br />

Paradies: dort, wo sie leben ohne zu<br />

sähen und zu ernten.<br />

Es handelt sich bei der einfachen<br />

Reproduktion um eine Fiktion vergleichbar<br />

der <strong>des</strong> ›freien‹ Falls.<br />

es aus unserem Reproduktionsschema hervorgeht. Jeder gesellschaftliche jährliche<br />

Arbeitstag stützt sich schon hier, als auf gegebene Basis, auf einige vorgeleistete,<br />

aufgespeicherte jährliche Arbeitstage. Doch mit dieser Frage nach der<br />

vergangenen Arbeit, die die Grundlage aller jetzigen Arbeit ist, versetzen wir<br />

uns an den ›Anfang aller Anfänge‹, der in der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

der Menschen ebensowenig gilt wie in der natürlichen Entwicklung <strong>des</strong> Stoff es.<br />

Das Reproduktionsschema will und soll nicht den Anfangsmoment, den gesellschaftlichen<br />

Prozeß in statu nascendi darstellen, sondern es packt ihn mitten im<br />

Fluß, als ein Glied in ›<strong>des</strong> Daseins unendlicher Kette‹. <strong>Die</strong> vergangene Arbeit<br />

ist stets die Voraussetzung <strong>des</strong> gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, mögen<br />

wir ihn so weit zurückverfolgen, wie wir wollen. Wie die gesellschaftliche<br />

Arbeit kein Ende, so hat sie auch keinen Anfang. <strong>Die</strong> Anfänge der<br />

Grund lagen <strong>des</strong> Reproduktionsprozesses verlieren sich in jener sagenhaften<br />

Däm merung der Kulturgeschichte, in der sich auch die Entstehungsgeschichte<br />

<strong>des</strong> Mörissees <strong>des</strong> Herodot verliert. Mit dem technischen Fortschritt und der<br />

Kulturentwicklung ändert sich die Gestalt der Produktionsmittel, plumpe Paläolithen<br />

werden durch geschliff ene Werkzeuge ersetzt, Steinwerkzeuge durch elegante<br />

Bronze- und Eisengeräte, Handwerkzeug durch Dampfmaschine. Aber<br />

bei all dem Wechsel in der Gestalt der Produktionsmittel und den gesellschaftlichen<br />

Formen <strong>des</strong> Produktionsprozesses besitzt die Gesellschaft als Grundlage<br />

ihres Arbeitsprozesses stets eine gewisse Menge vergegenständlichter vergangener<br />

Arbeit, die ihr als Basis für die jährliche Reproduktion dient.<br />

Bei der kapitalistischen Produktionsweise erhält die in den Produktionsmitteln<br />

aufgespeicherte vergangene Arbeit der Gesellschaft die Gestalt von<br />

Kapital, und die Frage nach der Herkunft der vergangenen Arbeit, welche die<br />

Grundlage <strong>des</strong> Reproduktionsprozesses bildet, verwandelt sich in die Frage nach<br />

der Genesis <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>. <strong>Die</strong>se ist freilich viel weniger sagenhaft, vielmehr mit<br />

blutigen Lettern in die neuzeitliche Geschichte eingetragen als das Kapitel von<br />

der sogenannten ursprünglichen <strong>Akkumulation</strong>. <strong>Die</strong> Tatsache selbst aber, daß<br />

wir uns die einfache Reproduktion nicht anders als unter Voraussetzung vergangener<br />

aufgespeicherter Arbeit denken können, die an Umfang die jährlich<br />

zur Erhaltung der Gesellschaft geleistete Arbeit übertriff t, berührt die wunde<br />

Stelle der einfachen Reproduktion und beweist, daß sie nicht bloß für die kapitalistische<br />

Produktion, sondern für den Kulturfortschritt im allgemeinen bloß<br />

eine Fiktion ist. Um uns nur diese Fiktion selbst exakt – im Schema – vorzustellen,<br />

müssen wir als ihre Voraussetzung die Ergebnisse eines vergangenen<br />

Produktionsprozesses annehmen, der selbst unmöglich auf die einfache<br />

Reproduktion beschränkt, vielmehr bereits auf die erweiterte Reproduktion<br />

gerichtet war. Zur Erläuterung dieser Tatsache an einem Beispiel können wir<br />

das gesamte fi xe Kapital der Gesellschaft mit einer Eisenbahn vergleichen. <strong>Die</strong><br />

Dauerhaftigkeit und also auch der jährliche Verschleiß verschiedener Teile der<br />

Eisenbahn sind sehr verschieden. Solche Teile wie Viadukte, Tunnels können<br />

Jahrhunderte dauern, Lokomotiven Jahrzehnte, sonstiges rollen<strong>des</strong> Material<br />

wird sich in ganz kurzen Fristen, zum Teil in wenigen Monaten abnutzen. Es<br />

ergibt sich aber dabei ein gewisser durchschnittlicher Verschleiß, der, sagen wir,<br />

30 Jahre ausmachen, also jährlich auf den Wertverlust von ⅓0 <strong>des</strong> Ganzen hinauslaufen<br />

wird. <strong>Die</strong>ser Wertverlust wird nun fortlaufend wieder ersetzt durch<br />

teilweise Reproduktion der Eisenbahn (die als Reparaturen fi gu rieren<br />

mag), indem heute ein Wagen, morgen ein Lokomotiventeil, übermorgen eine<br />

42 Das Problem der Reproduktion

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