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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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Gegen diese Erklärung sprechen die Tatsachen, daß in Deutschland<br />

wie in Frankreich und Italien bei der Umkehr zum Schutzzoll die führende<br />

Rolle den agrarischen Interessen zufi el, die sich nicht gegen die Konkurrenz<br />

Englands, sondern gegen die der Vereinigten Staaten richteten, daß im übrigen<br />

das Schutzbedürfnis für die aufkommende einheimische Industrie in Rußland<br />

sich z. B. viel stärker gegen Deutschland, in Italien aber gegen Frankreich richtete<br />

als gegen England. <strong>Die</strong> allgemeine dauernde Depression auf dem Weltmarkt, die<br />

sich seit der Krise der 70er Jahre hinzog und die Stimmung für den Schutzzoll<br />

vorbereitet hatte, war ebensowenig mit Englands Monopol verbunden. <strong>Die</strong> allgemeine<br />

Ursache der schutzzöllnerischen Frontänderung lag denn auch tiefer.<br />

Der reine Standpunkt <strong>des</strong> Warenaustausches, dem die freihändlerische<br />

Illusion der Interessenharmonie auf dem Weltmarkt entstammte, ist aufgegeben<br />

worden, sobald das großindustrielle Kapital in den wichtigsten Ländern<br />

<strong>des</strong> europäischen Kontinents so weit Fuß gefaßt hatte, um sich auf seine<br />

<strong>Akkumulation</strong>sbedingungen zu besinnen. <strong>Die</strong>se aber schoben gegenüber der<br />

Gegenseitigkeit der Interessen der kapitalistischen Staaten ihren Antagonismus<br />

und die Konkurrenz im Kampfe um das nichtkapitalistische Milieu in den<br />

Vordergrund.<br />

Als die Freihandelsära anhub, wurde Ostasien erst durch die Chinakriege<br />

erschlossen, in Ägypten stellte das europäische Kapital die ersten Schritte. In den<br />

80er Jahren setzt parallel mit dem Schutzzoll die Expansionspolitik mit zunehmender<br />

Energie ein: <strong>Die</strong> Okkupation Ägyptens durch England, a die deutschen<br />

Kolonialeroberungen in Afrika, b die französische Okkupation von Tunis und die<br />

Expedition nach Tonking, c die Vorstöße Italiens in Assab und Massaua,<br />

der abessinische Krieg und die Bildung Eritreas, d die englischen Eroberungen<br />

in Südafrika e –, alle diese Schritte folgten sich in einer ununterbrochenen Kette<br />

die 80er Jahre hindurch. Der Konfl ikt zwischen Italien und Frankreich wegen<br />

der Interessensphäre in Tunis war das charakteristische Vorspiel zu dem frankoitalienischen<br />

Zollkrieg sieben Jahre später, der als drastischer Epilog die freihändlerische<br />

Interessenharmonie auf dem europäischen Kontinent abgeschlossen<br />

hat. f <strong>Die</strong> Monopolisierung der nichtkapitalistischen Expansionsgebiete<br />

im Innern der alten kapitalistischen Staaten wie draußen in den überseeischen<br />

Ländern wurde zur Losung <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, während der Freihandel, die Politik<br />

der ›off enen Tür‹ zur spezifi schen Form der Schutzlosigkeit nichtkapitalistischer<br />

Länder gegenüber dem internationalen Kapital und <strong>des</strong> Gleichgewichts<br />

dieses konkurrierenden <strong>Kapitals</strong> geworden ist, zum Vorstadium ihrer partiellen<br />

oder gänzlichen Okkupation als Kolonien oder Interessenssphären. Wenn<br />

England allein bisher dem Freihandel treu geblieben ist, so hängt das in erster<br />

Linie damit zusammen, daß es als ältestes Kolonialreich in seinem gewaltigen<br />

Besitz an nichtkapitalistischen Gebieten von Anfang an eine Operationsbasis<br />

fand, die seiner Kapitalakkumulation bis in die jüngste Zeit fast schrankenlose<br />

Aussichten bot und es tatsächlich außerhalb der Konkurrenz anderer kapitalistischen<br />

Länder stellte. Daher der allgemeine Drang der kapitalistischen Länder,<br />

sich voneinander durch Schutzzölle abzusperren, obwohl sie zugleich füreinander<br />

in immer höherem Maße Warenabnehmer, aufeinander bei der Erneuerung<br />

ihrer sachlichen Reproduktionsbedingungen immer mehr angewiesen sind und<br />

obwohl die Schutzzölle heute, vom Standpunkte der technischen Entwicklung<br />

der Produktivkräfte, völlig entbehrlich geworden sind, ja vielfach umgekehrt<br />

zur künstlichen Konservierung veralteter Produktionsweisen führen. Der innere<br />

<strong>Die</strong> geschichtlichen Bedingungen der <strong>Akkumulation</strong> 301<br />

→ von S.300<br />

c.266 Le 5 Janvier 1860 Napoléon<br />

III annonça ses intentions<br />

dans une lettreprogramme adressée<br />

au ministère d’État, M. Fould.<br />

Cette déclaration éclata comme un<br />

coup de foudre. Après les incidents<br />

de l’année qui venait de finir, on<br />

comptait qu’aucune modification<br />

du régime douanier ne serait tentée<br />

avant 1861. L’émotion fut générale.<br />

Néanmoins le traite fut signe<br />

le 23 Janvier.‹ (Auguste Devers:<br />

La politique commerciale de la<br />

France depuis 1860. Schriften <strong>des</strong><br />

Vereins für Sozialpolitik, LI, S.136)<br />

| ← S.300|<br />

a Graf Camillo von Cavour, Führer<br />

<strong>des</strong> gemäßigt-liberalen Flügels<br />

der Italienischen Nationalbewegung,<br />

setzte als Handels- und<br />

Finanz mi nister sowie Minister präsident<br />

<strong>des</strong> Königreichs Sardinien<br />

1850—1861 eine Reihe bürgerlicher<br />

Reformen durch. |← S.300 |<br />

267 <strong>Die</strong> Revision <strong>des</strong> russischen<br />

Zolltarifs in liberalem Sinne 1857<br />

und 1868, die endgültige Abtragung<br />

<strong>des</strong> wahnwitzigen Schutzzollsystems<br />

Kankrins, war eine Ergänzung<br />

und Äußerung <strong>des</strong> ganzen Reformwerkes,<br />

das durch das Deba kel<br />

<strong>des</strong> Krimkrieges erzwungen wurde.<br />

Unmittelbar entsprach aber die Ermäßigung<br />

der Zölle vor allem den<br />

Interessen <strong>des</strong> adeligen Grundbesitzes,<br />

der sowohl als Kon sument<br />

ausländischer Waren wie als Produz<br />

ent <strong>des</strong> ins Ausland ausgeführten<br />

Getrei<strong>des</strong> an einem ungehinderten<br />

Handelsverkehr Rußlands mit<br />

Westeuropa interessiert war.<br />

→|cont. S.302|<br />

268 Auch Fr. Engels teilte diese<br />

Auffassung. In einem seiner Briefe<br />

an Nikolai-on schreibt er am<br />

18. Mai 1892: ›Englische Interessen<br />

vertretende Schriftsteller können es<br />

nicht verstehen, daß alle Welt es<br />

ablehnt, ihr Freihandelsbeispiel zu<br />

befolgen, und statt <strong>des</strong>sen Schutzzölle<br />

eingeführt hat. Natür lich wagen<br />

sie nicht zu sehen, daß dieses<br />

jetzt fast allgemeine Zollsystem<br />

ein – mehr oder weniger kluges und<br />

in manchen Fällen absolut dummes<br />

– Mittel der Selbstverteidigung<br />

gegen ebendenselben englischen<br />

Freihandel ist, der das englische<br />

Industriemonopol zu seiner höchsten<br />

Vollendung geführt hat.<br />

→|cont. S.303|<br />

a—f →|S.303|

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