Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
258 Eyth, ein hervorragender<br />
Agent der Kapitalkultur in den<br />
primitiven Ländern, schließt bezeichnenderweise<br />
seine meisterhafte<br />
Skizze über Ägypten, der wir<br />
die Hauptdaten entnommen haben,<br />
mit dem folgenden imperialistischen<br />
Glaubensbekenntnis: ›Was<br />
uns diese Vergangenheit lehrt, ist<br />
auch für die Zukunft von zwingender<br />
Bedeutung: Europa muß<br />
und wird, wenn auch nicht ohne<br />
Kämpfe jeder Art, in denen sich<br />
Recht und Unrecht kaum mehr<br />
unterscheiden lassen und in denen<br />
das politische und historische<br />
Recht oft genug gleichbedeutend<br />
sein müßte mit dem Unglück von<br />
Millionen, das politische Unrecht<br />
gleichbedeutend sein mag mit ihrer<br />
Rettung – Europa muß seine feste<br />
Hand auf jene Länder legen, die<br />
nicht mehr fähig sind, aus eigener<br />
Kraft das Leben unserer Zeit zu leben,<br />
und die festeste Hand wird,<br />
wie überall in der Welt, auch an<br />
den Ufern <strong>des</strong> Nils den Wirren ein<br />
Ende machen.‹ (l.c., S.247) Wie die<br />
›Ordnung‹ aussieht, die England<br />
›an den Ufern <strong>des</strong> Nils‹ schuf, darüber<br />
gibt Rothstein, l.c., genügenden<br />
Aufschluß.<br />
<strong>des</strong> Wirtschaftslebens und zum einzigen Gesichtspunkt <strong>des</strong> Finanzsystems. 1878<br />
kam eine neue Kommission und ein halbeuropäisches Ministerium zustande.<br />
1879 kamen die ägyptischen Finanzen unter dauernde Kontrolle <strong>des</strong> europäischen<br />
<strong>Kapitals</strong> in der Person der Commission de la Dette Publique Egyptienne<br />
in Kairo. 1878 wurden die Tschifl iks, die Ländereien der vizeköniglichen<br />
Familie im Umfange von 431 000 Acres, in Staatsdomänen verwandelt und den<br />
europäischen Kapitalisten für die Staatsschuld verpfändet, ebenso die Daira-<br />
Län dereien, das Privatgut <strong>des</strong> Khediven, das meist in Oberägypten gelegen war<br />
und 485 131 Acres umfaßte; es ist später an ein Konsortium verkauft worden. Ein<br />
großer Teil <strong>des</strong> sonstigen Grundbesitzes kam in die Hände von kapitalistischen<br />
Ge sellschaften, namentlich an die Suezkompanie. <strong>Die</strong> geistlichen Ländereien<br />
der Moscheen und der Schulen hat England für die Kosten der Okkupation beschlagnahmt.<br />
Eine Militärrevolte der ägyptischen Armee, die von der europäischen<br />
Finanzkontrolle ausgehungert wurde, während die europäischen Beamten<br />
glänzende Gehälter bezogen, und ein provoziertet Aufstand der geweißbluteten<br />
Massen in Alexandrien gaben den erwünschten Vorwand zum entscheidenden<br />
Schlag. 1882 rückte englisches Militär in Ägypten ein, um es nicht wieder<br />
zu verlassen und die Unterwerfung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zum Ergebnis der grandiosen<br />
Kapitaloperationen in Ägypten seit zwanzig Jahren und zum Abschluß der<br />
Liquidation der ägyptischen Bauernwirtschaft durch das europäische Kapital<br />
zu machen.²⁵⁸ – Hier zeigte sich, daß der bei oberfl ächlicher Betrach- <br />
tung abgeschmackten Transaktion zwischen dem europäischen Leihkapital und<br />
dem europäischen Industriekapital, das die Bestellungen aus Ägypten mit jenem<br />
Leihkapital bezahlt, wobei die Zinsen der einen Anleihe durch das Kapital der<br />
anderen Anleihe gedeckt wurden, ein vom Standpunkt der Kapitalakkumulation<br />
sehr rationelles und ›gesun<strong>des</strong>‹ Verhältnis zugrunde lag. <strong>Die</strong>ses läuft, nach<br />
Weglassung aller maskierenden Zwischenglieder, auf die einfache Tatsache hinaus,<br />
daß die ägyptische Bauernwirtschaft in gewaltigem Umfang vom europäischen<br />
Kapital aufgezehrt wurde: Enorme Strecken Grund und Boden, zahllose<br />
Arbeitskräfte und eine Masse Arbeitsprodukte, die als Steuern an den<br />
Staat entrichtet wurden, sind in letzter Linie in europäisches Kapital verwandelt<br />
und akkumuliert worden. Es ist klar, daß diese Transaktion, die den normalen<br />
Verlauf einer jahrhundertelangen geschichtlichen Entwicklung auf zwei<br />
bis drei Jahrzehnte zusammenpreßte, nur durch die Nilpferdpeitsche ermöglicht<br />
worden war und daß gerade die Primitivität der sozialen Verhältnisse Ägyptens<br />
die unvergleichliche Operationsbasis für die Kapitalakkumulation geschaff en<br />
hatte. Gegenüber dem märchenhaften Anschwellen <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong> auf der einen<br />
Seite erscheint hier als ökonomisches Resultat auf der anderen neben dem Ruin<br />
der Bauernwirtschaft das Aufkommen <strong>des</strong> Warenverkehrs und die Herstellung<br />
seiner Bedingungen in der Anspannung der Produktivkräfte <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>. Das<br />
bebaute und eingedämmte Land Ägyptens wuchs unter Ismails Regierung von<br />
2 auf 2,7 Millionen Hektar, das Kanalnetz von 73 000 auf 87 000 Kilometer, das<br />
Eisenbahnnetz von 410 auf 2 020 Kilometer. In Suez und Alexandrien wurden<br />
Docks, in Alexandrien großartige Hafenanlagen gebaut, ein Seedampferdienst<br />
für die Mekkapilger auf dem Roten Meer und entlang der syrischen und kleinasiatischen<br />
Küste eingeführt. <strong>Die</strong> Ausfuhr Ägyptens, die 1861 89 Millionen<br />
Mark betrug, schnellte 1864 auf 288 Millionen, die Einfuhr, die unter Said<br />
Pascha 24 Millionen ausmachte, stieg unter Ismail auf 100 bis 110 Millionen<br />
Mark. Der Handel, der sich nach der Eröff nung <strong>des</strong> Suezkanals erst in den<br />
292 <strong>Die</strong> geschichtlichen Bedingungen der <strong>Akkumulation</strong>