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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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Elftes Kapitel<br />

MacCulloch gegen Sismondi<br />

<strong>Die</strong> Sismondischen Kassandrarufe gegen die rücksichtslose Ausbreitung<br />

der <strong>Kapitals</strong>herrschaft in Europa riefen gegen ihn von drei Seiten eine scharfe<br />

Opposition auf den Plan: in England die Schule Ricardos, in Frankreich den<br />

Verfl acher Smith’, J. B. Say, und die St-Simonisten. Während die Gedankengänge<br />

Owens in England, der den Nachdruck auf die Schattenseiten <strong>des</strong> Industriesystems<br />

und namentlich die Krise legte, sich vielfach mit denen Sismondis<br />

begegnen, fühlte sich die Schule <strong>des</strong> anderen großen Utopisten, St-Simons, die<br />

den Nachdruck auf den weltumspannenden Gedanken der großindustriellen<br />

Expansion, auf die schrankenlose Entfaltung der Produktivkräfte der menschlichen<br />

Arbeit legte, durch den Angstruf Sismondis lebhaft beunruhigt. Uns interessiert<br />

hier aber die vom theoretischen Standpunkt fruchtbarere Kontroverse<br />

zwischen Sismondi und den Ricardianern. Im Namen letzterer richtete zuerst<br />

MacCulloch im Oktober 1819, also gleich nach Erscheinen der ›Nouveaux principes‹,<br />

in der ›Edinburgh Review‹ eine anonyme Polemik gegen Sismondi, die,<br />

wie man sagte, von Ricardo selbst gebilligt wurde.⁷⁸ Auf diese Polemik <br />

replizierte Sismondi 1820 in Rossis ›Annales de jurisprudence‹ unter dem Titel:<br />

›Untersuchung der Frage: Wächst in der Gesellschaft zugleich mit der Fähigkeit<br />

zu produzieren auch die Fähigkeit zu verbrauchen?‹⁷⁹<br />

Sismondi konstatiert selbst in seiner Antwort, daß es die Schatten der<br />

Handelskrise sind, in deren Zeichen seine damalige Polemik stand: ›<strong>Die</strong>se<br />

Wahr heit, die wir beide suchen (Sismondi wußte übrigens, als er antwortete,<br />

nicht, wer der Anonymus der ›Edinburgh Review‹ war – R.L.), ist in den gegen<br />

wärtigen Zeitläufen von der höchsten Wichtigkeit. Sie kann als grundlegend<br />

für die politische Ökonomie gelten. Ein allgemeiner Niedergang macht<br />

sich im Handel geltend, in den Manufakturen und sogar, wenigstens in einigen<br />

Ländern, in der Landwirtschaft. Das Leiden ist ein so langwieriges, ein so<br />

außerordentliches, das Unglück ist in so zahlreiche Familien eingekehrt, Unruhe<br />

und Entmutigung in alle, daß die Grundlagen der wirtschaftlichen Ordnung gefährdet<br />

erscheinen … Man hat zwei Erklärungen, die einander entgegengesetzt<br />

sind, für diesen staatlichen Niedergang gegeben, der eine so große Gärung hervorgerufen<br />

hat. Ihr habt zuviel gearbeitet, sagen die einen; ihr habt zuwenig gearbeitet,<br />

sagen die anderen. Das Gleichgewicht, sagen die ersteren, wird sich<br />

erst dann wiederherstellen, Friede und Wohlstand werden erst dann wiederkehren,<br />

wenn ihr den ganzen Überschuß der Waren verbraucht habt, der unverkauft<br />

den Markt bedrückt, und wenn ihr in Zukunft eure Produktion nach der<br />

Nachfrage der Käufer richtet; das Gleichgewicht wird sich nur einstellen,<br />

sagen die anderen, wenn ihr eure Anstrengungen, aufzuhäufen und zu reproduzieren,<br />

verdoppelt. Ihr täuscht euch, wenn ihr glaubt, daß unsere Märkte<br />

überfüllt sind, nur die Hälfte unserer Magazine ist gefüllt, füllen wir auch die<br />

andere Hälfte: <strong>Die</strong>se neuen Reichtümer werden sich, die einen gegen die anderen,<br />

eintauschen und neues Leben dem Handel einfl ößen.‹ Hier hat Sismondi<br />

mit ausgezeichneter Klarheit den wirklichen Brennpunkt der Kontroverse herausgehoben<br />

und formuliert.<br />

In der Tat steht und fällt die ganze Position MacCullochs mit der<br />

Behaup tung, der Austausch sei in Wirklichkeit Austausch von Waren gegen<br />

Waren. Jede Ware stelle also nicht nur ein Angebot, sondern ihrerseits eine<br />

Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 115<br />

78 Der Artikel in der ›Edinburgh<br />

Review‹ war eigentlich gegen Owen<br />

gerichtet. Auf 24 Druckseiten zieht<br />

er scharf gegen die vier Schrif ten zu<br />

Felde: ›A New View of So ciety, Or,<br />

Essay on the Principle Formation<br />

of the Human Character‹; ›Observations<br />

on the Effect of the Manufacturing<br />

System‹; ›Two Me morials<br />

on Behalf of the Wor king Classes,<br />

presented to the Govern ments of<br />

America and Europe‹; endlich ›Three<br />

Tracts, and an Account of Public<br />

Proceedings relative to the Employment<br />

of the Poor‹. Der Ano nymus<br />

sucht Owen haarklein nachzuweisen,<br />

daß seine Reformideen nicht<br />

im geringsten auf die wirkli chen<br />

Ursachen der Misere <strong>des</strong> eng lischen<br />

Proletariats zurückgreifen, denn<br />

diese wirklichen Ursachen seien: der<br />

Übergang zur Bebauung unfruchtbarerer<br />

Lände reien (die Ricardosche<br />

Grundrenten theorie!), die Korn zölle<br />

und die hohen Steu ern, die den<br />

Pächter wie den Fabri kanten bedrücken.<br />

Also Freihandel und laissez<br />

faire – das ist Alpha und Omega!<br />

Bei ungehin derter <strong>Akkumulation</strong><br />

wird jeder Zu wachs der Produktion<br />

für sich selbst einen Zuwachs der<br />

Nachfrage schaf fen. Hier wird<br />

Owen unter Hin weisen auf Say und<br />

James Mill einer ›völligen Ignoranz‹<br />

geziehen: ›In his reasonings, as well<br />

as in his plans, Mr. Owen shows<br />

himself pro foundly ignorant of all<br />

the laws which regulate the production<br />

and distribution of wealth.‹<br />

Und von Owen kommt der Verfasser<br />

auch auf Sis mondi, wobei er die<br />

Kontro verse selbst wie folgt formuliert:<br />

›He (Owen) conceives that<br />

when competition is unchecked by<br />

any artificial regulations, and industry<br />

permitted to flow in its natural<br />

channels, the use of machinery<br />

may increase the supply of the several<br />

articles of wealth beyond the<br />

demand for them, and by creating<br />

an excess of all commodities, throw<br />

the working classes out of employment.<br />

This is the position which we<br />

hold to be fundamentally erroneous;<br />

and as it is strongly insisted on<br />

by the celebrated Mr. de Sismondi<br />

in his ‚Nouveaux principes d’économie<br />

po litique’, we must entreat<br />

the indulgence of our readers while<br />

we endeavour to point out its fallacy,<br />

and to demonstrate, that the<br />

power of consuming necessarily increases<br />

with every increase in the<br />

power of producing.‹ (Edinburg<br />

Review, Oktober 1819, S.470)<br />

Anmerkung 79 → s. nächste Seite

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