Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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Geburtswehen bei dem Heraustreten der kapitalistischen Produktionsweise aus<br />
dem Schoße der feudalen Gesellschaft. Sobald er die theoretische Analyse <strong>des</strong><br />
Kapitalprozesses gibt – Produktion wie Zirkulation –, kehrt er ständig zu seiner<br />
Voraussetzung: allgemeine und ausschließliche Herrschaft der kapitalistischen<br />
Produktion, zurück.<br />
Wir sehen jedoch, daß der Kapitalismus auch in seiner vollen Reife in <br />
jeder Beziehung auf die gleichzeitige Existenz nichtkapitalistischer Schichten<br />
und Gesellschaften angewiesen ist. <strong>Die</strong>ses Verhältnis erschöpft sich nicht durch<br />
die nackte Frage <strong>des</strong> Absatzmarktes für das ›überschüssige Produkt‹, wie das<br />
Pro blem von Sismondi und den späteren Kritikern und Zweifl ern der kapitalistischen<br />
<strong>Akkumulation</strong> gestellt wurde. Der <strong>Akkumulation</strong>sprozeß <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong><br />
ist durch alle seine Wertbeziehungen und Sachbeziehungen: konstantes Kapital,<br />
variables Kapital und Mehrwert an nichtkapitalistische Produktionsformen gebunden.<br />
Letztere bilden das gegebene historische Milieu jenes Prozesses. <strong>Die</strong><br />
Kapitalakkumulation kann so wenig unter der Voraussetzung der ausschließlichen<br />
und absoluten Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise dargestellt<br />
werden, daß sie vielmehr ohne das nichtkapitalistische Milieu in jeder<br />
Hinsicht undenkbar ist. Freilich zeigten Sismondi und seine Nachfolger einen<br />
richtigen Instinkt für die Daseinsbedingungen der <strong>Akkumulation</strong>, wenn sie deren<br />
Schwierigkeiten einzig und allein auf die Realisierung <strong>des</strong> Mehrwerts reduzierten.<br />
Zwischen den Bedingungen dieser letzteren und den Bedingungen der<br />
Erweiterung <strong>des</strong> konstanten und <strong>des</strong> variablen <strong>Kapitals</strong> in ihrer Sachgestalt besteht<br />
ein wichtiger Unterschied. Das Kapital kann ohne die Produktionsmittel<br />
und die Arbeitskräfte <strong>des</strong> gesamten Erdballes nicht auskommen, zur ungehinderten<br />
Entfaltung seiner <strong>Akkumulation</strong>sbewegung braucht es die Naturschätze<br />
und die Arbeitskräfte aller Erdstriche. Da diese sich tatsächlich in überwiegender<br />
Mehrzahl in den Banden vorkapitalistischer Produktionsformen befi nden –<br />
dies das geschichtliche Milieu der Kapitalakkumulation –, so ergibt sich daraus<br />
der ungestüme Drang <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, sich jener Erdstriche und Gesellschaften zu<br />
bemächtigen. An sich wäre der kapitalistischen Produktion z. B. auch mit kapitalistisch<br />
betriebenen Kautschukplantagen, wie sie z. B. in Indien bereits angelegt<br />
sind, gedient. Aber die tatsächliche Vorherrschaft nichtkapitalistischer<br />
Gesellschaftsverhältnisse in den Ländern jener Produktionszweige ergibt für<br />
das Kapital die Bestrebung, jene Länder und Gesellschaften unter seine Botmäßigkeit<br />
zu bringen, wobei die primitiven Verhältnisse allerdings so außerordentlich<br />
rasche und gewaltsame Griff e der <strong>Akkumulation</strong> ermöglichen, wie sie<br />
unter rein kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen ganz undenkbar wären. A<br />
Anders die Realisierung <strong>des</strong> Mehrwerts. <strong>Die</strong>se ist von vornherein an<br />
nicht kapitalistische Produzenten und Konsumenten als solche gebunden. B <strong>Die</strong><br />
Exi stenz nichtkapitalistischer Abnehmer <strong>des</strong> Mehrwerts ist also direkte Lebensbedingung<br />
für das Kapital und seine <strong>Akkumulation</strong>, insofern also der entscheidende<br />
Punkt im Problem der Kapitalakkumulation.<br />
Ob aber so oder anders, faktisch ist die Kapitalakkumulation<br />
als geschichtlicher Prozeß in allen ihren Beziehungen auf nichtkapitalistische<br />
Gesellschaftsschichten und -formen angewiesen.<br />
<strong>Die</strong> Lösung <strong>des</strong> Problems, um das sich die Kontroverse in der Nationalökonomie<br />
fast über ein ganzes Jahrhundert zieht, liegt also zwischen den beiden<br />
Extremen: zwischen der kleinbürgerlichen Skepsis der Sismondi, v. Kirchmann,<br />
Woronzow, Nikolai-on, die die <strong>Akkumulation</strong> für unmöglich erklärten,<br />
<strong>Die</strong> geschichtlichen Bedingungen der <strong>Akkumulation</strong> 237<br />
A Ökonomisch aufgrund überlegener<br />
Produktivkräfte und somit<br />
schwacher lokaler Konkurrenz.<br />
<strong>Die</strong>s jedoch teils auch innerhalb der<br />
›kapitalistischen Späre‹, wo bspw.<br />
die Einführung neuer, ›billigerer‹<br />
Verfahren zu Extraprofiten führt.<br />
B Das ist nach wie vor nicht<br />
schlüssig belegt. Der Drang in die<br />
Kolonien oder die imperialistische<br />
›Inanspruchnahme‹ der ganzen<br />
Welt braucht nicht diese ›innere<br />
Notwendigkeit‹, ›wohlfeile‹ exorbitante<br />
Profite sind ökonomisch<br />
Anlaß genug, ebenso wie die ›biblische‹<br />
Empfehlung, hinzugehen und<br />
sich die Erde und mit ihr die Welt<br />
untertan zu machen [das Errichten<br />
der Herrschaft], keiner weiteren<br />
begründeten Not bedarf [vgl.<br />
|S.226, Anm.C|].