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Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub

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A Es ist nicht nur ein Argument<br />

›aus der Mottenkiste‹, es ist Ausdruck<br />

<strong>des</strong> Wesens der bürgerlichen<br />

Gesellschaft, der gewaltgeborenen<br />

ökonomischen Grundlage der Klassen<br />

herrschaft der Bourgeoisie, daher<br />

die ständige Wiederkehr <strong>des</strong><br />

Ar guments in unzähligen<br />

Muta tio nen, figurativ: das gefährlichste<br />

Virus der modernen<br />

menschlichen Gesell schaft. Was<br />

Privatisierung bedeutet, spüren<br />

die Arbeiter immer und überall<br />

auf ähnliche Weise. Ent weder werden<br />

sie zu Objekten der Verwertung<br />

vergewaltigt – nach und nach<br />

Lohnarbeiter – oder, wenn sie bereits<br />

Lohnarbeiter sind und diesen<br />

Zustand schon weitgehend verinner<br />

licht haben wie gefangene,<br />

aber gut gefütterte Tiere im Zoo,<br />

ver schlech tern sich ihre Ver hältnisse:<br />

Entlassung [›Freisetzung‹],<br />

Änderungskündigung, Versetzung,<br />

weniger Lohn und längere Arbeitszeit,<br />

exem plarisch bspw. bei der<br />

Privati sierung der Deut schen Bun -<br />

<strong>des</strong> post. Nutznießer sind nicht nur<br />

offenkundig zwielichtige Gestalten<br />

wie pars pro toto der Unternehmens<br />

berater und spätere Vorstandsvorsitzende<br />

der Deut schen Post AG<br />

Klaus Zum winkel [ins öffentliche<br />

Rampen licht geraten wegen seiner<br />

Lich ten steiner Konten; aus<br />

Familien besitz 10 Kauf häuser und<br />

50 Discountläden, 1971 verkauft<br />

an Rewe, danach in der Geschäftsleitung<br />

bei McKinsey, 1985 Vorstandsvorsitzen<br />

der bei Quelle,<br />

1989 Deutsche Bun<strong>des</strong> post, 1995<br />

Deutsche Post AG], sondern die<br />

ganze bürger liche Klasse. Wenn der<br />

Lohn sinkt, steigen die Profite. <strong>Die</strong>s<br />

füllt die bourgeoise ›Kriegskasse‹,<br />

einerseits die der ›Einzelkapitale‹<br />

[interne Auseinandersetzungen,<br />

Kon kurrenz im ›Warenverkehr‹ und<br />

bei der ›Kapitalakkumulation‹], andererseits<br />

die der gesamten Klasse<br />

für die Eroberung [›Wachs tum‹,<br />

›Liberalisierung der Märkte‹] immer<br />

neuer Bereiche und deren – oft militärische<br />

– Ab si cherung. Auch die<br />

Kosten für die Korrum pie rung spezieller<br />

Teile der Arbeiter klasse, besonders<br />

von Funktionären [privilegierte<br />

Einkommen und andere<br />

Vergünstigungen], der Politiker<br />

[›Spenden‹, Lobbyismus und dgl.]<br />

müssen bezahlt werden.<br />

Polizeiliche, paramilitärische und<br />

militärische Gewalt in den ›imperialistischen<br />

Kernländern‹ selbst ist<br />

teure ultima ratio, wie neuerdings<br />

Frankreich wieder zeigt.<br />

aus den schützenden Banden der Geschlechter und ihrer Solidarität zu ›befreien‹.<br />

Solange nämlich das muselmännische Recht in Algerien galt, fand die<br />

Verpfändung <strong>des</strong> Grund und Bodens an der Nichtveräußerlichkeit <strong>des</strong> Gentil-<br />

und Familienbesitzes eine unüberwindliche Schranke. Erst das Gesetz von 1863<br />

hatte darin eine Bresche geschlagen. Es galt, das Hindernis ganz wegzuräumen,<br />

um dem Wucher freien Spielraum zu lassen. Das zweite Argument war ein ›wissenschaftliches‹.<br />

Es stammte aus demselben geistigen Arsenal, aus dem der ehrwürdige<br />

James Mill seine Verständnislosigkeit für die Eigentumsverhältnisse<br />

Indiens schöpfte: aus der englischen klassischen Nationalökonomie. Das<br />

Privateigentum ist die notwendige Vorbedingung jeder intensiveren, besseren<br />

Bodenbebauung A in Algerien, die Hungersnöten vorbeugen würde, denn es ist<br />

klar, daß niemand Kapital oder intensive Arbeit in einen Boden stecken will,<br />

der nicht sein individuelles Eigentum ist und <strong>des</strong>sen Früchte nicht ausschließlich<br />

von ihm genossen werden – deklamierten mit Emphase die wissenschaftlich<br />

gebildeten Jünger Smith-Ricardos. <strong>Die</strong> Tatsachen freilich redeten eine andere<br />

Sprache. Sie zeigten, daß die französischen Spekulanten das von ihnen<br />

in Algerien geschaff ene Privateigentum zu allem anderen gebrauchten, nur<br />

nicht zur intensiveren und höheren Bodenbebauung. Von den 400 000 Hektar<br />

Lan<strong>des</strong>, die im Jahre 1873 den Franzosen gehörten, befanden sich 120 000 Hektar<br />

in den Händen der beiden kapitalistischen Gesellschaften, der Algerischen<br />

und der Setif-Kompanie, die ihre Ländereien überhaupt nicht selbst bewirtschafteten,<br />

sondern den Eingeborenen in Pacht zurückgaben, die sie ihrerseits<br />

in althergebrachter Weise bebauten. Ein Viertel der übrigen französischen<br />

Eigentümer befaßte sich ebensowenig mit Landwirtschaft. <strong>Die</strong> Kapitaleinlagen<br />

und intensive Bodenbebauung ließen sich eben hier sowenig wie die kapitalistischen<br />

Verhältnisse überhaupt künstlich aus dem Boden stampften. <strong>Die</strong>se<br />

bestanden nur in der profi tgierigen Phantasie der französischen Spekulanten<br />

und in der doktrinären Nebelwelt ihrer wissenschaftlichen Ideologen aus der<br />

Nationalökonomie. Es handelte sich einfach, wenn man die Vorwände und die<br />

Floskeln in der Begründung <strong>des</strong> Gesetzes von 1873 auf die Seite schiebt, um den<br />

nackten Wunsch, den Arabern ihre Existenzbasis, den Grund und Boden, zu entreißen.<br />

Und trotz aller Fadenscheinigkeit der Argumentation, trotz off ensichtlicher<br />

Verlogenheit seiner Begründung wurde das Gesetz, das der Bevölkerung<br />

Algeriens und ihrem materiellen Wohlstand den To<strong>des</strong>stoß versetzen sollte, am<br />

26. Juli 1873 fast einstimmig angenommen.<br />

Doch das Fiasko <strong>des</strong> Gewaltstreiches ließ nicht lange auf sich warten.<br />

<strong>Die</strong> Politik der Dritten Republik scheiterte an der Schwierigkeit, das bürgerliche<br />

Privateigentum in uralten kommunistischen Großfamilienverbänden mit<br />

einem Schlage einzuführen, genauso, wie die Politik <strong>des</strong> Zweiten Kaiserreichs<br />

daran gescheitert war. Das Gesetz vom 26. Juli 1873, das durch ein zweites Gesetz<br />

vom 28. April 1887 ergänzt wurde, ergab nach 17jähriger Wirkung das folgende<br />

Resultat: Bis 1890 waren 14 Millionen Franc für ein Bereinigungsverfahren von<br />

1,6 Millionen Hektar ausgegeben. Man berechnete, daß die Fortsetzung <strong>des</strong><br />

Verfahrens bis 1950 hätte dauern und weitere 60 Millionen Franc kosten müssen.<br />

Das Ziel jedoch, den Großfamilienkommunismus zu beseitigen, war<br />

dabei immer noch nicht erreicht. Das einzige, was wirklich und unzweifelhaft bei<br />

alledem erreicht wurde, war eine tolle Bodenspekulation, ein üppig gedeihender<br />

Wucher und der wirtschaftliche Ruin der Eingeborenen.<br />

250 <strong>Die</strong> geschichtlichen Bedingungen der <strong>Akkumulation</strong>

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