Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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entsteht. Für denjenigen, der weiß, daß die Preise der Waren sich nur aus den<br />
zwei Teilen, aus dem Kapitalzins und dem Arbeitslohn, zusammensetzen, kann<br />
dieser Satz auff allend erscheinen; ist der Arbeitslohn niedrig, so sind auch die<br />
Warenpreise niedrig, und sind jene hoch, so sind auch diese hoch. (Man sieht,<br />
v. Kirchmann akzeptiert das Smithsche Dogma auch noch in seiner verkehr<br />
testen Fassung: nicht der Preis löst sich in Arbeitslohn + Mehrwert auf, sondern<br />
er setzt sich als einfache Summe aus ihnen zusammen – eine Fassung, in der<br />
Smith sich von seiner Arbeitswerttheorie am weitesten entfernt hatte. – R.L.)<br />
Lohn und Preis stehen so in geradem Verhältnis und gleichen sich einander aus.<br />
England hat nur <strong>des</strong>halb seine Getreidezölle und seine Zölle auf Fleisch und<br />
andere Lebensmittel aufgehoben, um die Arbeitslöhne sinken zu machen und<br />
so den Fabrikanten in den Stand zu setzen, durch noch billigere Ware auf den<br />
Weltmärkten jeden anderen Konkurrenten zu verdrängen. Es ist in<strong>des</strong> dies nur<br />
zum Teil richtig und berührt nicht das Verhältnis, in dem sich das Produkt zwischen<br />
Kapital und Arbeiter verteilt. In der zu ungleichen Verteilung zwischen<br />
diesen beiden liegt der erste und wichtigste Grund, weshalb Says Gesetz sich in<br />
der Wirklichkeit nicht vollzieht, weshalb trotz der Produktion in allen Zweigen<br />
doch alle Märkte an Überfüllung leiden.‹ <strong>Die</strong>se seine Behauptung illustriert<br />
v. Kirchmann ausführlich an einem Beispiel. Nach dem Muster der klassischen<br />
Schule werden wir natürlich versetzt in eine imaginäre isolierte Gesellschaft, die<br />
ein widerstandsloses, wenn auch nicht dankbares Objekt für die nationalökonomischen<br />
Experimente darbietet.<br />
Man stelle sich einen Ort vor – suggeriert uns v. Kirchmann –, der ausgerechnet<br />
903 Einwohner umfaßt, und zwar 3 Unternehmer mit je 300 Arbeitern.<br />
Der Ort befriedige alle Bedürfnisse seiner Einwohner durch eigene Produktion,<br />
und zwar in drei Unternehmungen, von denen die eine für Kleidung sorgt, die<br />
zweite für Nahrung, Licht, Feuerung und Rohstoff e, die dritte für Wohnung,<br />
Möbel und Werkzeuge. In jeder dieser drei Abteilungen liefere der Unternehmer<br />
›das Kapital samt Rohstoff en‹. <strong>Die</strong> Entlohnung der Arbeiter erfolgt in jedem<br />
dieser drei Geschäfte so, daß die Arbeiter die Hälfte <strong>des</strong> jährlichen Produkts als<br />
Lohn erhalten und der Unternehmer die andere Hälfte ›als Zins seines <strong>Kapitals</strong><br />
und als Unternehmergewinn‹. <strong>Die</strong> von jedem Geschäft gelieferte Menge Produkt<br />
reiche gerade hin, um alle Bedürfnisse sämtlicher 903 Einwohner zu decken.<br />
So enthält dieser Ort ›alle Bedingungen eines allgemeinen Wohlseins‹ für<br />
seine sämtlichen Einwohner, alles macht sich demgemäß frisch und mutig an<br />
die Arbeit. Aber nach wenigen Tagen wandelt sich Freude und Wohlgefallen<br />
in allgemeinen Jammer und in Zähneklappern, es passiert nämlich auf der v.<br />
Kirchmannschen Insel der Glückseligen etwas, was man dort sowenig erwarten<br />
mochte wie den Einsturz <strong>des</strong> Himmels: Es bricht eine regelrechte moderne<br />
Industrie- und Handelskrise aus! <strong>Die</strong> 900 Arbeitet haben nur die allernotdürftigste<br />
Kleidung, Nahrung und Wohnung, die drei Unternehmer aber haben<br />
ihre Magazine voll Kleider und Rohstoff e, sie haben Wohnungen leer stehen;<br />
sie klagen über Mangel an Absatz, während die Arbeiter umgekehrt über<br />
unzureichende Befriedigung ihrer Bedürfnisse klagen. Und woher illae lacrimae?<br />
Etwa weil, wie Say und Ricardo annahmen, von den einen Produkten zuviel<br />
und von den anderen zuwenig da sei? Mitnichten! antwortet v. Kirchmann;<br />
in dem ›Ort‹ gibt es von allen Dingen eine wohlproportionierte Menge, die alle<br />
just ausreichen würden, um sämtliche Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen.<br />
Woher also ›das Hemmnis‹, die Krise? Das Hemmnis liegt einzig und<br />
142 Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems