Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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treten die Konsumtionsmittel zurück gegenüber den Produktionsmitteln. <strong>Die</strong><br />
Menschenkonsumtion spielt eine immer geringere Rolle gegenüber der produktiven<br />
Konsumtion der Produktionsmittel …‹¹⁷⁹<br />
Wiewohl Tugan auch dieses ›fundamentale Gesetz‹ leibhaftig und fertig<br />
direkt von Marx bezogen hat, wie seine sämtlichen › fundamentalen‹ <br />
Gedanken sonst, sofern sie etwas Greifbares und Exaktes darstellen, so ist er<br />
wieder damit nicht zufrieden und beeilt sich, Marx sofort mit der von Marx<br />
bezogenen Weisheit zu belehren. Marx habe da wieder wie ein blin<strong>des</strong> Huhn<br />
eine Perle gefunden, wisse aber nicht, was er damit anfangen soll. Erst Tugan-<br />
Baranowski hat die ›fundamentale‹ Entdeckung für die Wissenschaft zu fruktifi<br />
zieren verstanden, in seiner Hand beleuchtet plötzlich das gefundene Gesetz<br />
das gesamte Getriebe der kapitalistischen Wirtschaft: Hier in diesem Gesetz <strong>des</strong><br />
Wachstums der Abteilung der Produktionsmittel auf Kosten der Abteilung der<br />
Konsumtionsmittel kommt klar, deutlich, exakt, meßbar zum Ausdruck, daß für<br />
die kapitalistische Gesellschaft die menschliche Konsumtion immer unwichtiger,<br />
daß der Mensch von ihr dem Produktionsmittel gleichgesetzt wird, daß also<br />
Marx gründlich irrte, einmal als er annahm, daß nur der Mensch den Mehrwert<br />
schaff e und nicht auch die Maschine, daß die menschliche Konsumtion eine<br />
Schranke für die kapitalistische Produktion darstelle, woraus sich heute periodische<br />
Krisen und morgen der Zusammenbruch und das Ende mit Schrecken<br />
der kapitalistischen Wirtschaft ergeben müßten.<br />
Kurz, in dem ›Grundgesetz‹ <strong>des</strong> Wachstums der Produktionsmittel auf<br />
Kosten der Konsumtionsmittel spiegelt sich die kapitalistische Gesellschaft als<br />
Ganzes mit ihrem spezifi schen Wesen, wie es von Marx nicht verstanden und<br />
von Tugan-Baranowski endlich glücklich entziff ert worden ist.<br />
Wir haben schon früher gesehen, welche entscheidende Rolle das besagte<br />
kapitalistische ›Grundgesetz‹ in der Kontroverse der russischen Marxisten mit<br />
den Skeptikern spielte. Bulgakows Äußerungen kennen wir. Genauso drückt<br />
sich ein anderer Marxist in seiner Polemik gegen die ›Volkstümler‹, der von uns<br />
bereits erwähnte W. Iljin, aus:<br />
›Bekanntlich besteht das Entwicklungsgesetz <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong> darin, daß das<br />
konstante Kapital schneller wächst als das variable, d. h., ein immer größerer Teil<br />
der sich neu bildenden Kapitalien wendet sich der Produktionsmittel erzeugenden<br />
Abteilung der gesellschaftlichen Produktion zu. Folglich wächst diese<br />
Ab tei lung notwendigerweise schneller als die Konsumtionsmittel erzeugende<br />
Ab teilung, d. h., es tritt gerade das ein, was Sismondi als ‚unmöglich’, ‚gefährlich’<br />
usw. hinstellte. Folglich nehmen die Produkte der individuellen Konsumtion<br />
in der Ge samtmasse der kapitalistischen Produktion einen immer geringeren<br />
Platz ein. Und das entspricht völlig der historischen ‚Mission’ <strong>des</strong> Kapitalismus<br />
und seiner spezifi schen sozialen Struktur: die erste besteht gerade in der Entwicklung<br />
der Produktivkräfte der Gesellschaft (Produktion für die Produktion); <br />
die zweite schließt ihre Utilisation durch die Masse der Bevölkerung aus.‹¹⁸⁰<br />
[Hervorhebung – R.L.]<br />
Tugan-Baranowski geht natürlich auch hier weiter als die anderen. In<br />
seinem Gefallen an Paradoxen leistet er sich sogar den Witz, mathematisch<br />
den Nachweis zu liefern, daß die <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong> und die Produktionserweiterung<br />
sogar bei absolutem Rückgang der Konsumtion möglich<br />
sei. Hier ertappt ihn K. Kautsky bei einem wissenschaftlich wenig salonfähigen<br />
Manöver, nämlich dabei, daß er seine kühne Deduktion ausschließlich auf<br />
Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 203<br />
179 l.c., S.58<br />
180 Wladimir Iljin:<br />
Ökonomische Studien und Artikel.<br />
Zur Charakteristik <strong>des</strong> ökonomischen<br />
Romantizismus, Petersburg<br />
1899, S.20. [W. I. Lenin: Zur<br />
Charakteristik der ökonomischen<br />
Romantik. In: Werke, Bd.2, S.149]<br />
Demselben Verfasser gehört<br />
übrigens die Behauptung, daß die<br />
erweiterte Reproduktion erst mit<br />
dem Kapitalismus beginnt. Iljin hat<br />
nicht bemerkt, daß wir mit der<br />
einfachen Reproduktion, die er als<br />
Gesetz für alle vorkapitalistischen<br />
Produktionsweisen annimmt, wahrscheinlich<br />
heute noch über den<br />
paläolithischen Schaber nicht hinaus<br />
wären.<br />
[Dazu ergänzend: ›Der äußere<br />
Markt ist notwendig, weil der kapitalistischen<br />
Produktion das Streben<br />
nach schrankenloser Ausdehnung<br />
eigen ist – im Gegensatz zu allen<br />
alten Produktionsweisen, die durch<br />
die Grenzen der Dorfgemeinde, <strong>des</strong><br />
Erbguts, <strong>des</strong> Stammes, <strong>des</strong> territorialen<br />
Gebiets oder <strong>des</strong> Staates gebunden<br />
waren. Während in allen<br />
alten Wirtschaftsordnungen die<br />
Produktion jeweils in der gleichen<br />
Form und in dem gleichen Ausmaß<br />
wie vorher fortgesetzt wurde – wird<br />
in der kapitalistischen Gesellschaft<br />
diese Fortführung in gleicher Form<br />
unmöglich und die schrankenlose<br />
Ausdehnung und dauernde<br />
Vorwärtsbewegung wird zum Gesetz<br />
der Produktion," (W. I. Lenin: Zur<br />
Charakteristik der ökonomischen<br />
Romantik. In: W. I. Lenin: Werke,<br />
Bd.2, S.158)]