Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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hervor: einerseits die objektiven Schwierigkeiten <strong>des</strong> erweiterten Repro duktionsprozesses,<br />
der in der kapitalistischen Wirklichkeit durchaus nicht so<br />
hübsch glatt verläuft wie in der abstrusen Hypothese Ricardos, anderer seits<br />
die Tatsache, daß jeder tech nische Fortschritt in der Produktivität der gesellschaftlichen<br />
Arbeit unter kapi talistischen Bedingungen sich stets auf Kosten<br />
der Arbeiterklasse durchsetzt und mit deren Leiden erkauft wird. Und noch<br />
in einem dritten wichtigen Punkte zeigt Sismondi seine Überlegenheit im<br />
Vergleiche mit Ricardo: gegenüber <strong>des</strong>sen roher Borniertheit, für die außer der<br />
bürgerlichen Ökonomie über haupt keine Gesellschaftsformen existieren, vertritt<br />
Sismondi die breiten hi sto rischen Horizonte einer dialektischen Auff assung:<br />
›Unsere Augen‹, ruft er, ›haben sich dermaßen an diese neue Organisation der<br />
Gesellschaft, an diesen allgemeinen Wettbewerb gewöhnt, der zur Feindschaft<br />
zwischen der reichen und der arbeitenden Klasse ausartet, daß wir uns keine<br />
andere Art <strong>des</strong> Daseins mehr denken können, trotzdem die Trümmer dieser<br />
Existenzen uns von allen Seiten umgeben. Man glaubt mich ad absurdum führen<br />
zu können, wenn man mir die Fehler der früheren Systeme entgegenhält.<br />
In der Tat sind zwei oder drei in der Organisation der unteren Klassen<br />
ein ander gefolgt, aber darf man, weil sie, nachdem sie zuerst einiges Gute geleistet,<br />
bald darauf aber schreckliche Qualen dem Menschengeschlecht verursacht<br />
haben, schließen, daß wir heute das richtige System haben, daß wir nicht<br />
den Grundfehler <strong>des</strong> Systems der Tagelöhner entdecken werden, wie wir den<br />
<strong>des</strong> Systems der Sklaverei, der Vasallität, der Zünfte entdeckt haben? Als diese<br />
drei Systeme in Kraft waren, konnte man sich auch nicht denken, was man an<br />
ihre Stelle setzen könnte; die Verbesserung der bestehenden Ordnung erschien<br />
ebenso unmöglich wie lächerlich. Ohne Zweifel wird eine Zeit kommen, in der<br />
unsere Enkel uns als nicht minder barbarisch ansehen werden, weil wir die arbeitenden<br />
Klassen ohne Garantie gelassen haben, wie sie und wir selbst die Nationen<br />
als barbarisch ansehen, die diese selben Klassen als Sklaven behandelt haben.‹<br />
Seinen tiefen Blick für geschichtliche Zusammenhänge hat Sismondi bewiesen<br />
durch den Ausspruch, worin er mit epigrammatischer Schärfe die Rolle<br />
<strong>des</strong> Proletariats in der modernen Gesellschaft von derjenigen <strong>des</strong> Proletariats<br />
der römischen Gesellschaft unterschied. Nicht minder tief zeigt er sich darin,<br />
wie er in seiner Polemik gegen Ricardo die ökonomischen Sondercharaktere<br />
<strong>des</strong> Sklavensystems und der Feudalwirtschaft zergliedert sowie deren relative<br />
geschichtliche Bedeutung, endlich indem er als die vorherrschende allgemeine<br />
Tendenz der bürgerlichen Ökonomie feststellt, ›jede Art von Eigentum von jeder<br />
Art Arbeit vollständig zu trennen‹. Auch das zweite Treff en Sismondis mit der<br />
klassischen Schule schlug, wie das erste, nicht zum Ruhme seines Gegners aus.⁸⁷<br />
Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 127<br />
87 Wenn <strong>des</strong>halb Herr Tugan-<br />
Baranowski im Interesse <strong>des</strong> von<br />
ihm verfochtenen Standpunkts Say-<br />
Ricardo die Kontroverse zwischen<br />
Sismondi und Ricardo zu berichten<br />
weiß, daß Sismondi gezwungen<br />
wäre ›die Richtigkeit der von<br />
ihm angefochtenen Lehre anzuerkennen<br />
und seinem Gegner alle nötigen<br />
Zugeständnisse zu machen‹,<br />
daß Sismondi ›seine eigene Theorie,<br />
die bis jetzt so viele Anhänger findet,<br />
preisgegeben habe‹ und daß<br />
›der Sieg in dieser Kontroverse auf<br />
Seiten Ricardos wäre‹ (Studien<br />
zur Theorie und Geschichte <strong>des</strong><br />
Handelskrisen in England, 1901,<br />
S.176), so ist das eine solche –<br />
sagen wir – Leichtfertigkeit <strong>des</strong><br />
Urteils, wie wir davon in einem ernsten<br />
wissenschaftlichen Werk nicht<br />
viel Beispiele kennen.