Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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der Fall, dann müssen jugendliche Arbeiter, der Nachwuchs, selbst Arbeit liefern,<br />
um Lohn und Lebensmittel zu bekommen. Dann ist der arbeitende Nachwuchs<br />
eben in der Zahl der beschäftigten Arbeiter bereits einbegriff en. Der natürliche<br />
Zuwachs der Bevölkerung kann uns also den <strong>Akkumulation</strong>sprozeß im Marxschen<br />
Schema nicht erklären.<br />
Doch halt! <strong>Die</strong> Gesellschaft besteht – auch unter der Herrschaft <strong>des</strong> Kapi<br />
talismus – nicht bloß aus Kapitalisten und Lohnarbeitern. Außer diesen beiden<br />
Klassen gibt es noch eine große Masse der Bevölkerung: Grundbesitzer,<br />
Angestellte, liberale Berufe: Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler, Wissenschaftler, es<br />
besteht noch die Kirche mit ihren <strong>Die</strong>nern, der Geistlichkeit, und endlich der<br />
Staat mit seinen Beamten und dem Militär. Alle diese Bevölkerungsschichten<br />
sind weder den Kapitalisten noch den Lohnarbeitern im kategorischen Sinne<br />
beizuzählen. Sie müssen aber von der Gesellschaft ernährt und erhalten werden.<br />
Es werden also wohl diese außer den Kapitalisten und Arbeitern bestehenden<br />
Schichten sein, deren Nachfrage die Erweiterung der Produktion erforderlich<br />
macht. Doch ist dieser Ausweg bei näherem Zusehen nur ein scheinbarer.<br />
<strong>Die</strong> Grundbesitzer sind als Verzehrer der Rente, d. h. eines Teils <strong>des</strong> kapitalistischen<br />
Mehrwerts, augenscheinlich der Kapitalistenklasse zuzuzählen, ihre<br />
Konsumtion ist hier, wo wir den Mehrwert in seiner ungeteilten, primären Form<br />
betrachten, in der Konsumtion der Kapitalistenklasse bereits berücksichtigt. <strong>Die</strong><br />
liberalen Berufe bekommen ihre Geldmittel, d. h. ihre Anweisungen auf einen<br />
Teil <strong>des</strong> gesellschaftlichen Produkts, meist direkt oder indirekt aus der Hand der<br />
Kapitalistenklasse, die sie mit Splittern ihres Mehrwerts abfi ndet. Soweit sind<br />
sie als Verzehrer <strong>des</strong> Mehrwerts mit ihrer Konsumtion der Kapitalistenklasse<br />
beizuzählen. Dasselbe gilt von der Geistlichkeit, nur daß diese zum Teil ihre<br />
Mittel auch von den Arbeitenden, also aus den Arbeiterlöhnen bezieht. Endlich<br />
der Staat mit seinen Beamten und dem Militär wird aus den Steuern erhalten,<br />
diese aber liegen entweder auf dem Mehrwert oder auf Arbeiterlöhnen.<br />
Überhaupt kennen wir hier – in den Grenzen <strong>des</strong> Marxschen Schemas – nur zwei<br />
Quellen <strong>des</strong> Einkommens in der Gesellschaft: Arbeiterlöhne oder Mehrwert. So<br />
können alle die außer den Kapitalisten und den Arbeitern angeführten Bevölkerungsschichten<br />
nur als Mitverzehrer dieser beiden Einkommensarten gelten.<br />
Marx selbst lehnt den Hinweis auf diese ›dritten Personen‹ als Abnehmer<br />
als eine Ausfl ucht ab: ›Alle nicht direkt in der Reproduktion, mit oder ohne<br />
Arbeit, fi gurierenden Gesellschaftsglieder können ihren Anteil am jährlichen<br />
Warenprodukt – also ihre Konsumtionsmittel – in erster Hand nur beziehn aus<br />
den Händen der Klassen, denen das Produkt in erster Hand zufällt – produktiven<br />
Arbeitern, industriellen Kapitalisten und Grundbesitzern. Insofern sind ihre<br />
Revenuen materialiter abgeleitet von Arbeitslohn (der produktiven Arbeiter),<br />
Profi t und Bodenrente und erscheinen daher jenen Originalrevenuen gegenüber<br />
als abgeleitete. Andrerseits jedoch beziehn die Empfänger dieser in diesem Sinn<br />
abgeleiteten Revenuen dieselben vermittelst ihrer gesellschaftlichen Funktion<br />
als König, Pfaff , Professor, Hure, Kriegsknecht etc., und sie können also diese<br />
ihre Funktionen als die Originalquellen ihrer Revenue betrachten.‹⁴² Gegenüber<br />
Verweisen auf die Verzehrer von Zins und Grundrente als Abnehmer sagt Marx:<br />
›Ist aber der Teil <strong>des</strong> Mehrwerts der Waren, den der industrielle Kapitalist als<br />
Grundrente oder Zins an andre Miteigentümer <strong>des</strong> Mehrwerts abzutreten hat,<br />
auf die Dauer nicht realisierbar durch den Verkauf der Waren selbst, so hat<br />
es auch mit der Zahlung von Rente oder Zins ein Ende, und können daher<br />
Das Problem der Reproduktion 73<br />
›unter der Herrschaft <strong>des</strong> Ka pitalismus‹:<br />
ungenau, der ›Kapitalismus‹<br />
ist kein Subjekt, es gelten<br />
›kapitalistische Bedingungen‹, es<br />
herrscht die Bourgeoisie, dt. die<br />
bürgerliche Klasse, wovon ein Teil<br />
das ›kapitalistische Ausbeuten‹ betreibt.<br />
Hier erscheinen die deutschen<br />
politischen Zustände als<br />
auffällige Unbeholfenheit <strong>des</strong><br />
Ausdrucks in einer ihrer Art nach<br />
eher genauen Sprache; Marx und<br />
Hegel, letzterer mitunter ausdrücklich<br />
[Andacht, begreifen etc.];<br />
s. auch |›Beispiel‹|.<br />
Was auf den Arbeitslöhnen ›liegt‹,<br />
ist wie auf S.72, resp. |Anm.4,<br />
S.33| angemerkt, kein Arbeitslohn;<br />
›Lohn‹ in vielen Kombinationen<br />
[ ~ nebenkosten, ~ steuer usw.] oft<br />
nur begriffsleere Worthülse, der umgangssprachliche<br />
Wortgebrauch<br />
wiederholt in Variationen die Zerstörungen<br />
der proletarischen Begriffsapparatur,<br />
welche seitens der<br />
Bourgeoisie auf allen Ebenen seit<br />
Marx und Engels intensiv betrieben<br />
wird; gegenwärtig insbesondere<br />
mittels <strong>des</strong> Fernsehens und seiner<br />
unvergleichlichen Durchdringung<br />
der Massen wie der Eremiten. Für<br />
die gebildeteren Schichten ist<br />
nach wie vor das ›Intelligenzblatt‹<br />
zuständig, für ›Lumpen‹ in den<br />
Sendelücken die Anzeigenpostille.<br />
Eine konzertierte Aktion gut bezahlter<br />
›liberaler‹ Berufe gegen die begriffliche<br />
Ausbildung <strong>des</strong> ›proletarischen<br />
Standpunkts‹. Was der<br />
Arbeiter nicht hat, verbraucht vom<br />
Arbeitsprodukt, ist Mehrwert, auch<br />
wenn es [Lohn]Steuer heißt etc. <strong>Die</strong><br />
Stellung als Edelarbeiter hat darauf<br />
keinen Einfluß.<br />
›abgeleitet‹ in seiner Doppeldeutigkeit<br />
bezüglich Arbeitslohn<br />
die treffende Darstellung,<br />
42 Das Kapital, Bd. II, S.346<br />
[Karl Marx: Das Kapital, Zweiter<br />
Band. In: Karl Marx/Friedrich<br />
Engels: Werke, Bd.24, S.372]