Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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151 l.c., S.252<br />
152 l.c., S.260. ›Entschieden<br />
urecht hat er (Struve – R. L), wo er<br />
den gegenwärtigen Zustand Rußlands<br />
dem der Vereinigten Staaten<br />
vergleicht, um das zu wi derlegen,<br />
was er Ihre pessimistischen<br />
Zukunfts ansichten nennt. Er sagt,<br />
die üblen Folgen <strong>des</strong> modernen<br />
Kapitalismus in Rußland werden<br />
ebenso leicht überwunden werden<br />
wie in den Vereinigten Staaten.<br />
Hier vergißt er ganz, daß die USA<br />
von allem Anfang an bourgeois<br />
waren; daß sie von Kleinbürgern<br />
und Bauern gegründet wurden, die<br />
dem europäischen Feudalismus<br />
ent flohen, um eine rein bürgerliche<br />
Gesellschaft zu errichten. Dagegen<br />
haben wir in Rußland ein Fundament<br />
von primitiv-kommustistischem<br />
Charakter, eine noch aus<br />
der Zeit vor der Zivilisation stammende<br />
Gentilgesellschaft, die zwar<br />
schon in Trümmer fällt, aber immer<br />
noch als Fundament, als Material<br />
dient, auf und mit dem die kapitalistische<br />
Revolution (denn es ist<br />
eine wirkliche soziale Revolution)<br />
wirkt und operiert. In Amerika gibt<br />
es seit mehr als einem Jahrhundert<br />
Geldwirtschaft, in Rußland war fast<br />
ausnahmslos Naturalwirtschaft<br />
die Regel. Deshalb ist es selbstverständlich,<br />
daß die Umwälzung<br />
in Rußland weit heftiger, weit einschneidender<br />
und von unermeßlich<br />
größeren Leiden begleitet sein muß<br />
als in Amerika.‹ (Brief Engels’ an<br />
Nikolai-on v. 17. Oktober 1893.<br />
In: Briefe usw., S.85) [Engels an<br />
Nikolai Franzewitsch Danielson,<br />
17. Oktober 1893. In Karl Marx/<br />
Friedrich Engels: Werke, Bd.39,<br />
S.148/149]<br />
153 l.c., S.284<br />
wird, durch ihre Konsumtion realisieren helfen. Ob die Konsumtion der ›dritten<br />
Personen‹ zur Realisierung <strong>des</strong> ganzen Mehrwerts ausreicht, das läßt Struve offen,<br />
jedenfalls müßte ›das Gegenteil erst noch bewiesen werden‹.¹⁵¹ Für Rußland<br />
als ein großes Land mit enormer Bevölkerung sei dies sicher nicht zu beweisen.<br />
Rußland sei gerade in der glücklichen Lage, auswärtige Märkte entbehren<br />
zu können, darin – hier macht Struve eine Anleihe aus dem Ideenschatz der<br />
Professoren Wagner, Schäffl e und Schmoller – vom gleichen Schicksal begünstigt<br />
wie die Vereinigten Staaten von Amerika. ›Wenn das Beispiel der nordamerikanischen<br />
Union etwas beweise, dann nur eins, nämlich die Tatsache, daß unter<br />
Umständen die kapitalistische Industrie eine sehr hohe Entwicklung erreichen<br />
kann, fast ausschließlich auf den inneren Markt gestützt.‹¹⁵² <strong>Die</strong>ser Satz wird illustriert<br />
an der Hand der geringen industriellen Ausfuhr der Vereinigten<br />
Staaten im Jahre 1882. Als allgemeine Th ese stellt Struve den Satz auf: ›Je umfangreicher<br />
das Territorium und je zahlreicher die Bevölkerung eines Lan<strong>des</strong>, um<br />
so weniger bedarf es auswärtiger Märkte für seine kapitalistische Entwicklung.‹<br />
Von diesem Standpunkt aus deduziert er für den Kapitalismus in Rußland –<br />
gerade umgekehrt wie die ›Volkstümler‹ – eine glänzendere Zukunft als in anderen<br />
Ländern. ›<strong>Die</strong> fortschrittliche Entwicklung der Landwirtschaft auf der<br />
Basis der Warenproduktion muß einen Absatzmarkt schaff en, auf den sich der<br />
russische Industriekapitalismus in seiner Entwicklung stützen wird. <strong>Die</strong>ser<br />
Absatzmarkt kann in dem Maße, wie die ökonomische und kulturelle Hebung<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und Hand in Hand damit die Verdrängung der Naturalwirtschaft<br />
fortschreiten wird, unbestimmt wachsen. In dieser Beziehung befi ndet sich der<br />
Kapitalismus in Rußland in günstigeren Bedingungen als in anderen Ländern.‹¹⁵³<br />
Und Struve schildert im einzelnen ein farbenprächtiges Bild der Erschließung<br />
neuer Absatzmärkte in Rußland, dank der Sibirischen Eisenbahn in Sibirien,<br />
in Zentralasien, in Vorderasien, in Persien, in den Balkanländern. Struve hat<br />
nicht bemerkt, daß er im Schwung seiner Prophezeiungen von dem ›unbestimmt<br />
wachsenden‹ inneren Markt auf ganz bestimmte auswärtige Absatzmärkte übergegangen<br />
ist. Wenige Jahre später stand er auch politisch im Lager dieses hoff -<br />
nungsfreudigen russischen Kapitalismus, <strong>des</strong>sen liberales Programm der imperialistischen<br />
Expansion er schon als ›Marxist‹ theoretisch begründet hatte.<br />
Aus der Argumentation Struves spricht in der Tat nur ein starker Optimismus<br />
in bezug auf die unbeschränkte Entwicklungsfähigkeit der kapitalistischen<br />
Produktion. Um die ökonomische Begründung dieses Optimismus hingegen<br />
ist es ziemlich schwach bestellt. Struves Hauptpfeiler für die <strong>Akkumulation</strong><br />
<strong>des</strong> Mehrwerts sind die ›dritten Personen‹. Was er darunter versteht, hat er nicht<br />
mit genügender Deutlichkeit verraten, doch zeigen namentlich seine Hinweise<br />
auf die englische Berufsstatistik, daß er damit die verschiedenen Privat- und<br />
Staatsangestellten, liberale Berufe, kurz das berühmte ›grand public‹ versteht, auf<br />
das bürgerliche Vulgärökonomen mit vager Geste hinzuweisen pfl egen, wenn sie<br />
nicht ein noch aus wissen, und von dem Marx gesagt hat, daß es dem Ökonomen<br />
›den <strong>Die</strong>nst‹ erweist, Dinge zu erklären, für die er sonst keine Erklärung hat. Es<br />
ist klar, daß, wenn man von der Konsumtion der Kapitalisten und der Arbeiter<br />
im kategorischen Sinne spricht, man dabei nicht die Unternehmer als<br />
Einzelpersonen meint, sondern die Kapitalistenklasse als Ganzes, mitsamt ihrem<br />
Anhang an Angestellten, Staatsbeamten, liberalen Berufen usw. Alle diese<br />
›dritten Personen‹, die gewiß in keiner kapitalistischen Gesellschaft fehlen, sind<br />
ökonomisch meist Mitesser <strong>des</strong> Mehrwerts, insofern sie sich nicht zum Teil<br />
186 Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems