Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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schärfer macht sich der Widerspruch geltend, denn sie kann nach der Sättigung<br />
<strong>des</strong> inneren Marktes keinen Ersatz auf dem auswärtigen fi nden, da dieser schon<br />
von älteren konkurrierenden Ländern mit Beschlag belegt ist.<br />
Aus alledem folgt, daß die Schranken <strong>des</strong> Kapitalismus durch die steigende<br />
Armut gegeben sind, die seine eigene Entwicklung bedingt, durch die<br />
wachsende Zahl überzähliger Arbeiter, die gar keine Kaufkraft besitzen. Der<br />
zunehmenden Produktivität der Arbeit, die je<strong>des</strong> zahlungsfähige Bedürfnis<br />
der Gesellschaft außerordentlich rasch befriedigt, entspricht eine zunehmende<br />
Unfähigkeit wachsender Volksmassen, ihre dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen,<br />
dem Überfl uß unabsetzbarer Waren – der Mangel breiter Massen an dem<br />
Notwendigsten.<br />
Das sind die allgemeinen Ansichten Nikolai-ons.¹⁴⁵ Man sieht: Nikolai-on<br />
kennt seinen Marx und hat sich die beiden ersten Bände <strong>des</strong> ›<strong>Kapitals</strong>‹ sehr wohl<br />
zunutze kommen lassen. Und doch ist seine ganze Argumentation echt sismondisch:<br />
Der Kapitalismus führt selbst zur Verkürzung <strong>des</strong> inneren Marktes<br />
durch die Verelendung der Massen, alles Unheil in der modernen Gesellschaft<br />
kommt von der Zerstörung der ›volkstümlichen‹ Produktionsweise, d. h. <strong>des</strong><br />
Kleinbetriebes – das sind seine Leitmotive. Das Lob <strong>des</strong> alleinseligmachenden<br />
Kleinbetriebes kommt sogar bei Nikolai-on als der Grundton seiner ganzen<br />
Kritik viel deutlicher und off ener bei Sismondi zum Ausdruck.¹⁴⁶ Im Schlußresultat<br />
ist die Realisi rung <strong>des</strong> kapitalistischen Gesamtprodukts im<br />
Innern der Gesellschaft unmöglich, sie kann nur dank den auswärtigen Märkten<br />
gelingen. Hier mündet Nikolai-on, trotz ganz verschiedener theoretischer Ausgangspunkte,<br />
mit Woronzow in den gleichen Schluß, <strong>des</strong>sen Moral, auf Rußland<br />
angewendet, die ökonomische Begründung der Skepsis im Verhältnis zum<br />
Kapitalismus bildet. In Rußland hat die kapitalistische Entwicklung, der auswärtige<br />
Märkte von vornherein abgeschnitten sind, nur Schattenseiten, nur<br />
Verelendung der Volksmassen ergeben, und <strong>des</strong>halb war die Förderung <strong>des</strong><br />
Kapi talismus in Rußland ein verhängnisvoller ›Fehler‹.<br />
Hier angelangt, donnert Nikolai-on wie ein alttestamentarischer Prophet:<br />
›Anstatt uns an die jahrhundertealten Überlieferungen zu halten, anstatt das<br />
von uns ererbte Prinzip der festen Verbindung <strong>des</strong> unmittelbaren Produzenten<br />
mit den Produktionsmitteln zu entwickeln, anstatt die Errungenschaften der<br />
westeuropäischen Wissenschaft zu benutzen, um sie auf Produktionsformen<br />
anzuwenden, die auf dem Besitz der Produktionsmittel durch die Bauern beruhen,<br />
anstatt die Produktivität ihrer Arbeit durch die Konzentrierung der<br />
Produktionsmittel in ihren Händen zu erhöhen, anstatt uns nicht die westeuropäische<br />
Form der Produktion, wohl aber ihre Organisation zunutze kommen<br />
zu lassen, ihre starke Kooperation, ihre Arbeitsteilung, ihre Maschinen usw.<br />
usw., anstatt das Prinzip zu entwickeln, das dem bäuerlichen Grundbesitz zugrunde<br />
liegt, und es auf die bäuerliche Bodenbearbeitung anzuwenden, anstatt<br />
dem Bauerntum zu diesem Zwecke den Zutritt zur Wissenschaft und deren<br />
Anwendung weit zu öff nen: anstatt alles <strong>des</strong>sen haben wir den direkt entgegengesetzten<br />
Weg eingeschlagen. Wir haben nicht bloß die Entwicklung kapitalistischer<br />
Produktionsformen nicht verhindert, trotzdem sie auf der Expropriation<br />
<strong>des</strong> Bauerntums basieren, sondern wir haben umgekehrt mit allen Kräften die<br />
Umkrempelung unseres ganzen wirtschaftlichen Lebens gefördert, die zu der<br />
Hungersnot <strong>des</strong> Jahres 1891 geführt hat.‹ Das Übel sei bereits weit gediehen,<br />
doch sei es noch nicht zu spät zur Umkehr. Im Gegenteil, eine völlige Reform<br />
Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 181<br />
145 Vgl. Abhandlungen über<br />
unsere Volkswirtschaft, namentlich<br />
S.202—205 und S.338—341<br />
146 <strong>Die</strong> frappante Ähnlichkeit<br />
in der Position der russischen<br />
›Volkstümler‹ mit der Auffassung<br />
Sismondis hat namentlich Wlad.<br />
Iljin 1897 in einem Aufsatz ›Zur<br />
Charakteristik <strong>des</strong> ökonomischen<br />
Romantizismus‹ im einzelnen<br />
nachgewiesen. [W. I. Lenin:<br />
Zur Charakteristik der ökonomischen<br />
Romantik. In: Werke, Bd.2,<br />
S.121—251]