Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals ... - babbelClub
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geschaff en. Einerseits förderte sie ein reiches Material in Einzeluntersuchungen<br />
über die Wirtschaftsformen <strong>des</strong> russischen Lebens zutage, namentlich über die<br />
›Volksproduktion‹ und ihre eigentümlichen Formen, über die Landwirtschaft<br />
der Bauerngemeinde, die bäuerliche Hausindustrie, den ›Artel‹, sowie auch<br />
über das geistige Leben <strong>des</strong> Bauerntums, das Sektenwesen und dergleichen.<br />
Andererseits kam eine eigenartige Belletristik als künstlerischer Refl ex der widerspruchsvollen<br />
sozialen Verhältnisse auf, in denen Altes mit Neuem rang<br />
und auf Schritt und Tritt mit schwierigen Problemen auf den Geist einstürmte.<br />
Endlich entsproß derselben Wurzel in den 70er und 80er Jahren eine originelle<br />
hausbackene Geschichtsphilosophie, die ›subjektive Methode in der Soziologie‹<br />
die den ›kritischen Gedanken‹ zum ausschlaggebenden Faktor der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung oder genauer: die deklassierte Intelligenz zum Träger <strong>des</strong><br />
historischen Fortschritts machen wollte und die in Peter Lawrow, Nikolai<br />
Michailowski, Professor Karejew, W. Woronzow ihre Wortführer fand.<br />
Von diesem ganzen umfangreichen und weitverzweigten Gebiete der<br />
›volkstümlerischen‹ Literatur interessiert uns hier lediglich eine Seite: der Meinungskampf<br />
um die Aussichten der kapitalistischen Entwicklung in Rußland,<br />
und auch dieser nur insofern, als er sich auf allgemeine Erwägungen über die<br />
gesell schaftlichen Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise stützte.<br />
Denn auch diese Erwägungen sollten in der russischen Streitliteratur der 80er<br />
und 90er Jahre eine große Rolle spielen.<br />
Um den russischen Kapitalismus und seine Aussichten handelte es sich<br />
zunächst, die daraus entstandene Debatte griff jedoch naturgemäß auf die allgemeinen<br />
Probleme der Entwicklung <strong>des</strong> Kapitalismus über, wobei das Beispiel<br />
und die Erfahrungen <strong>des</strong> Westens die hervorragendste Rolle als Beweismaterial<br />
spielten.<br />
Für den theoretischen Inhalt der nun folgenden Diskussion war eine<br />
Tatsache von entscheidender Bedeutung: Nicht bloß war die Marxsche<br />
Analyse der kapitalistischen Produktion, wie sie im ersten Band <strong>des</strong> ›<strong>Kapitals</strong>‹<br />
nie dergelegt ist, bereits Gemeingut <strong>des</strong> gebildeten Rußlands, sondern auch<br />
der zweite Band mit der Analyse der Reproduktion <strong>des</strong> Gesamtkapitals war<br />
schon 1885 erschienen. Das gab der Diskussion ein wesentlich anderes Gepräge.<br />
Das Problem der Krisen verstellte nun nicht mehr wie in den früheren Fällen<br />
den eigentlichen Kern der Erörterungen. Zum erstenmal war die Frage der<br />
Reproduktion <strong>des</strong> Gesamtkapitals, der <strong>Akkumulation</strong>, in reiner Gestalt in den<br />
Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt. Auch verlor sich die Analyse<br />
nicht mehr im hilfl osen Herumtappen um die Begriff e Einkommen und Kapital,<br />
Einzelkapital und Gesamtkapital. Man stand nunmehr auf dem festen Gerüst<br />
<strong>des</strong> Marxschen Schemas der gesellschaftlichen Reproduktion. Und endlich handelt<br />
es sich diesmal überhaupt nicht mehr um eine Auseinandersetzung zwischen<br />
Manchestertum und Sozialreform, sondern zwischen zwei Spielarten<br />
<strong>des</strong> Sozialismus. <strong>Die</strong> Skepsis in bezug auf die Möglichkeit der kapitalistischen<br />
Entwicklung wird im Geiste Sismondis und zum Teil Rodbertus’ von der kleinbürgerlichen<br />
›volkstümlerisch‹-konfusen Spielart <strong>des</strong> russischen Sozialismus<br />
vertreten, die sich aber selbst vielfach auf Marx beruft, der Optimismus – von<br />
der marxistischen Schule in Rußland. Es war somit ein völliger Wechsel der<br />
Szenerie eingetreten.<br />
Von den zwei Hauptwortführern der ›volkstümlerischen‹ Richtung<br />
war der eine, Woronzow, bekannt in Rußland hauptsächlich unter seinem<br />
Geschichtliche Darstellung <strong>des</strong> Problems 171