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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 99<br />

verständnislos aufgenommen und Bachofen von der Wissenschaft ausgeschlossen.<br />

1865 heirateten Johann Jakob Bachofen und die 30 Jahre jüngere Basler Patriziertochter<br />

Louise Elisabeth Burckhardt. 126<br />

In der Gräbersymbolik versuchte Bachofen eine Erklärung über die mythologischen<br />

und symbolischen Darstellungen von Leben, Tod und Licht auf die Ängste<br />

und Hoffnungen der damaligen Menschen, d.h. ihre Vorstellungen darüber aus der<br />

Mythologie (Religion, Philosophie und Symbolik) zu erschließen. Er konnte aber<br />

nicht sehen, daß auch seine Deutungen der antiken Religion und Mythologie nicht<br />

wertfrei waren und seine eigenen Ideen über Religiösität und Romantik in sie einflossen;<br />

besonders beim ” Mutterrecht“ werden die Vorurteile seiner Zeit besonders<br />

deutlich. Durch die Arbeiten am Werk der Gräbersymbolik stieß Bachofen auf die<br />

Schilderungen Plutarchs über die ägyptische Mythologie von Isis und Osiris. Dieser<br />

Mythos veranlaßte ihn 1861 ” Das Mutterrecht“ zu veröffentlichen. Von der<br />

Isis-Osiris-Schilderung ausgehend erweiterte Bachofen die Mutterrechtsthematik<br />

auf die gesamte Antike im Sinne eines weltgeschichtlichen Nacheinander vom<br />

Weiblich-Stofflichen zum Männlich-Geistigen, daß also die Menschheit zunächst<br />

vom weiblich-stofflichen Prinzip ausgeht und durch das männlich-geistige Prinzip<br />

überwunden und abgelöst wird. 127<br />

Was verstand nun Bachofen unter dem ” Mutterrecht“? Für ihn stellt das ” Mutterrecht“<br />

eine geschichtliche Erscheinung einer Kulturperiode dar, die als eine fremde<br />

Gesittung der ursprünglichen Kultur betracht werden kann, die dem Weltalter ein<br />

selbständiges Gepräge gibt. Er nennt ” Mutterrecht“ das Prinzip des ” gynaikokratischen“<br />

(frauenherrschaftlichen) Zeit- und Weltalters. Das wichtigste Merkmal<br />

der Gesinnung, die in der Gynaikotratie zum Tragen kommt, sei der ” Religionscharakter<br />

des Weibes“, und damit die religiöse Weihe des Muttertums. 128<br />

Es gibt nur einen einzigen mächtigen Hebel aller Zivilisation, die Religion.<br />

Jede Hebung, jede Senkung des menschlichen Daseins entspringt aus einer<br />

Bewegung, die auf diesem höchsten Gebiete ihren Ursprung nimmt. [...]<br />

Zu allen Zeiten hat das Weib durch die Richtung seines Geistes auf das<br />

Übernatürliche, Göttliche, der Gesetzmäßigkeit sich Entziehende, Wunderbare<br />

den größten Einfluß auf das männliche Geschlecht, die Bildung und<br />

Gesittung der Völker ausgeübt. 129<br />

Für Bachofen ist der kosmische Träger des Muttertums die Erde; die elterliche<br />

Gynaikokratie steht mit dem Mond in Verbindung und das Vaterprinzip ist bestimmt<br />

durch die Sonne. Das Mutterrecht ruht auf der ” stofflichen Natur“ der<br />

126 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, S.9–11.<br />

127 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, S.12–13.<br />

128 Hans-Jürgen Heinrichs (1975): Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Johann Jakob Bachofen: Das<br />

Mutterrecht. – Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen<br />

und rechtlichen Natur. Eine Auswahl; Suhrkamp-Taschenbuchausgabe Wissenschaft, Frankfurt<br />

am Main, (Erstausgabe von J.J. Bachofen Das Mutterrecht 1861, Verlag Krais und Hoffmann,<br />

Stuttgart.), S.VII–XXXVI, hier insbes. S.XIII, und S.20.<br />

129 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, S.19.

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