Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 34<br />
(4) Psychoanalyse: Murdock hat sich im genannten Buch in Kapitel 9, bei der<br />
Interpretation von Vermeidungs- und ” Joking“-Beziehungen und im Kapitel 10,<br />
bei der Analyse der Inzesttabus aber nicht an die Theorie Freuds angelehnt.<br />
Murdock definiert die Kernfamilie folgendermaßen:<br />
The family is a social group characterized by common residence, economic<br />
cooperation, and reproduction. It includes adults of both sexes, at least two<br />
of whom maintain a socially approxed sexual relationship, and one or more<br />
children, own or adopted, of the sexually cohabiting adults. The family is<br />
to be distinguished from marriage, which is a complex of customs centering<br />
upon the relationship between a sexually associating pair of adults within<br />
the family. Marriage defines the manner of establishing and terminating<br />
such a relationship, the normative behavior and reciprocal obligations within<br />
it, and the locally accepted restrictions upon its personnel. 80<br />
Nach Murdock ist der Begriff ” Familie“ doppeldeutig, denn sogar in den Sozialwissenschaften<br />
werde er für unterschiedliche soziale Gruppen verwendet, die<br />
neben funktionalen Ähnlichkeiten wichtige Unterschiede aufweisen. Es muß deshalb<br />
unterschieden werden zwischen drei Typen von Familienorganisation, die sich<br />
als repräsentativ für menschliche <strong>Gesellschaften</strong> herausgestellt haben:<br />
• Die Kernfamilie: normalerweise ein verheirateter Mann und seine Frau mit<br />
ihren unverheirateten Kindern; in Einzelfällen eine oder mehrere zusätzliche<br />
Personen, die mit ihnen gemeinsam wohnen. Diese grundsätzliche Einheit<br />
ist bei der Mehrheit der menschlichen <strong>Gesellschaften</strong> kombiniert wie die<br />
Atome in einem Molekül.<br />
• Die polygame Familie: Sie besteht aus zwei oder mehreren Kernfamilien,<br />
die durch Mehrfachheirat entstehen, d.h. einen verheirateten Elternteil gemeinsam<br />
haben. Polygynie: ein Mann spielt die Rolle des Ehemannes und<br />
Vaters in mehreren Kernfamilien; seltener, aber auch die Polyandrie: eine<br />
Frau, die mit zwei oder mehreren Männern lebt und jeweils mit jedem einzelnen<br />
Mann eine Kernfamilie bildet. In beiden Fällen entsteht dadurch<br />
eine größere Familiengruppe, die sich aus zwei oder mehreren Kernfamilien<br />
zusammensetzt.<br />
• Die erweiterte Familie: besteht aus zwei oder mehr Kernfamilien, die eher<br />
durch Erweiterung der Eltern-Kindbeziehung verbunden sind als durch die<br />
Ehemann-Frau Beziehung, z.B. die Verbindung der Kernfamilie eines verheirateten<br />
Erwachsenen mit der seiner Eltern. Die patrilokal erweiterte Familie,<br />
die auch patriarchale Familie genannt wird, wäre dafür ein Beispiel. Typisch<br />
für diese Familienorganisation ist ein älterer Mann mit seiner Frau oder<br />
Frauen, seinen unverheirateten Kindern und sein verheirateter Sohn und<br />
die Frauen und Kinder dieses Sohnes. Drei Generationen bilden einzelne<br />
80 Murdock 1949, Social Structure, Kap.1: ” The Nuclear Family“, S.1.