Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Südostasien 273<br />
der Penghulu eine der respektvollsten Personen des Dorfes. Er wird häufig aufge<strong>for</strong>dert,<br />
eine zweite Frau zu heiraten, besitzt den Ehrentitel gala und darf nur<br />
mit seinem Titel angesprochen werden, jede andere Art wäre eine Beleidigung.<br />
Bei zeremoniellen Angelegenheiten trägt der Penghulu eine traditionelle schwarze<br />
Bekleidung, einen Hut (destar) und unterliegt strengen Verhaltensvorschriften:<br />
er darf nie die Geduld verlieren oder ärgerlich werden, nicht auf Bäume klettern,<br />
nicht laufen wie ein Kind und nicht fischen. Nach Kato kann eine Person riesige<br />
Reichtümer ansammeln, erhält aber erst einen höheren Status, wenn sein paruik<br />
von den Ahnen geerbtes Land und einen eigenen Friedhof (pandam pakaburan)<br />
besitzt, als Zeichen von urang asa. 87<br />
5.4.1 Migration<br />
Wichtig innerhalb der Traditionen der Minangkabau ist die Praxis von merantau<br />
– im Sinne von Hinaus-Migration aus dem Kernland. Das Wort merantau ist<br />
zusammengesetzt aus dem Präfix ” me-“ und dem Hauptwort rantau, in der ursprünglichen<br />
Bedeutung von Grenzline, erreichen eines Flusses, Ausland, fremde<br />
Länder. Unter merantau wird das Verlassen des Heimtdorfes im Kernland verstanden.<br />
Merantau ist aber kein Produkt der Urbanisierung, sondern tief in der<br />
Geschichte verwurzelt. In den lokalen Mythen und Legenden wird über die frühen<br />
Minangkabau-Siedler berichtet. 88<br />
Die Beziehungen zwischen dem Kernland und der Küste sind wesentlich für das<br />
Verständnis der Minangkabau-Traditionen. Ihre geschützte Lage im Hochland<br />
und der Zugang zu den Küstenregionen führten zu permanenten Abwanderungsund<br />
Siedlungsbewegungen. Dabei war die Umgebung von Padang an der<br />
Westküste, aber auch die Niederungen der Ostküste bevorzugte Zielregionen,<br />
die teilweise Ausgangspunkte weiterer Migrationsbewegungen bildeten. Eine dieser<br />
nachfolgenden Migrationen führte auf die malaysische Halbinsel und zur<br />
Gründung von Negari Sembilan, wie auf andere indonesische Inseln. 89<br />
Heute können – nach Kato – drei Phasen oder Typen von geographischer Mobilität<br />
bei den Minangkabau unterschieden werden:<br />
1. Dorfsegmentierung: Seit der legendären Periode bis ins frühe 19. Jahrhundert.<br />
Ausschlaggebend war dafür die Verknappung von Land durch den Anstieg<br />
der Bevölkerungszahl. Die Segmentierung geht von einer Matrilineage<br />
87 Kato 1982, Matriliny and Migration, S.65–67.<br />
88 Kato 1982, Matriliny and Migration, S.22; bezieht sich auf Josselin de Jong 1952, S.9: ” A<br />
Dutch scholar once described the Minangkabau, not without justification, as a people with<br />
wanderlust.“ Kato bezieht sich weiters auf: C. Lekkerkerker (1916): Land en Volk van Sumatra,<br />
Leiden; danach gründet sich die ” Emigrationskrankheit“ der Minangkabau auf die Stellung des<br />
Mannes innerhalb der Gesellschaft; merantau wäre ein Weg des Mannes dem ” Matriarchat“ zu<br />
entkommen.<br />
89 Lenz 1995, Geschlechtersymmetrie als Geflecht von Frauen- und Männermacht, S.302–329.<br />
Literaturhinweis: Mochtar Naim (1973): Merantau: Minangkabau Voluntary Migration, PHD<br />
Singapore.