Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 141<br />
von 0.036 % für den Großteil der Menschheit geschätzt. 61 Von den Bushmen<br />
wird berichtet, daß sie ihre Wachstumsrate von 0,5 % durch eine Verlängerung<br />
der Stillzeit aufrechterhalten konnten. Unter dieser Annahme würde sich<br />
die Bevölkerung alle 139 Jahre verdoppeln: das würde bedeuten, daß wir heute<br />
– ausgehend von den letzten 10.000 Jahren – eine Weltbevölkerung von 2 79<br />
(= 604.463.000.000.000.000.000.000) hätten. Die verlängerte Stillzeit der Mütter<br />
kann also nicht als ausschließlicher Faktor für eine Bevölkerungskontrolle angesehen<br />
werden, denn die Geburtsintervalle werden für Bandgesellschaften zwischen<br />
vier und fünf Jahren angesetzt und für Dorfgesellschaften auf ungefähr 18 Monate<br />
geschätzt. 62 Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß bei einer Bevölkerung<br />
mit einer Lebenserwartung von durchschnittlich 47 Jahren, die Bevölkerung<br />
konstant bleibt, wenn nur ein Drittel der weiblichen Kinder das Reproduktionsalter<br />
erreichten, und wenn jede dieser Frauen durchschnittlich nur drei Lebendgeburten<br />
hatte. Würden sie vier Lebendgeburten und davon die Hälfte weibliche<br />
haben, käme es alle 33 Jahre zur Verdoppelung der Bevölkerung. 63 Danach ist die<br />
effektivste Form der Bevölkerungskontrolle die Reduktion der weiblichen Nachkommen.<br />
64<br />
Die Möglichkeit der Abtreibung bestand und war weit verbreitet, sie verkürzte<br />
aber zusätzlich die Lebenserwartung der erwachsenen Frauen. Die Mädchentötung<br />
stand in Verbindung mit zwei Vorteilen:<br />
(1) Die männlichen Babies konnten besser versorgt werden und wurden damit<br />
selektiv bis zum Erwachsenenalter betreut.<br />
(2) Der Tod von Babies ” kostet“ wesentlich weniger – emotionell, strukturell<br />
und im ökonomischen Sinne – als der Tod der Mutter. 65<br />
Mein Eindruck dazu ist, daß Mädchen nach der Geburt – in der Regel von den<br />
” helfenden Frauen“ (ohne Wissen der geschwächten Mutter) – relativ willkürlich<br />
61Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.529.<br />
Divale und Harris verweisen auf: Ferki Hassan (1973): On Mechanisms of Population Growth<br />
During the Neolithic, in: Current Anthropology, 14:535–540. Robert L. Carneiro und Daisy F.<br />
Hilse (1966): On Determining the Probable Rate of Population Growth During the Neolithic, in:<br />
American Anthropologist, 68:177–181. Ausley Coale (1974): The History of Human Populations,<br />
in: Scientific American, 231(3):41–51.<br />
62Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.530,<br />
mit dem Hinweis auf: J.K. Van Ginneken (1974): Prolonged Breastfeeding as a Birth Spacing<br />
Method, in: <strong>Studies</strong> in Family Planning, 5:201–208.<br />
63Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.530;<br />
Literaturhinweis: Ausley 1974, The History of Human Population.<br />
64L.L. Cavalli-S<strong>for</strong>za und W. Bodman (1971): The Genetics of Human Population, W.H.<br />
Freeman, San Francisco; zit.n. Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male<br />
Supremacist Complex, S.530.<br />
65Divale und Harris 1976, Population, Warfare, and the Male Supremacist Complex, S.530–<br />
531, Literaturhinweis auf: Mildred Dickeman (1975a): Demographic Consequences of Infanticide<br />
in Man, in: Annual Review of Ecology and Systematics, 6:107–137; und Mildred Dickeman<br />
(1975b): Female Infanticide und Hypergamy: A Neglected Relationship. Paper presented at the<br />
74th Annual Meeting of the American Anthropological Association, San Francisco.