Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Zusammenfassung 291<br />
Generationen eine Gemeinschaft bilden. Der Soziologe Rolf Eickelpasch hat<br />
zwar in seiner Untersuchung zur Frage der ” Universalität der Kernfamilie“<br />
auf einige <strong>Gesellschaften</strong> hingewiesen, in denen – wie z.B. bei den Nayar in<br />
Süd-Indien (Malabarküste, heutiges Kerala) – keine Kernfamilie existiere,<br />
weil das Ehepaar keinen gemeinsamen Wohnort aufweist, sondern natolokal<br />
lebt. Für Eickelpasch seien die Nayar ein klassischer Beleg gegen die<br />
Universalität der Kernfamilie. Eickelpasch führt an, daß die matrilineare<br />
Deszendenz bei den Nayar durch häufige Kriegführung und die Abwesenheit<br />
der Männer entstanden sei, d.h. die Mutter und ihre Kinder bildeten<br />
eine Gemeinschaft ohne Vater. Eickelpasch mißversteht meines Erachtens<br />
die soziale Struktur von uxorilokalen-matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong> und deutet<br />
deshalb das sogenannte ” Fehlen“ des Vaters falsch.<br />
4. Es wurden die Auswirkungen der bevorzugten postmaritalen Residenz auf<br />
die Kernfamilie erörtert und dabei vor allem die Gründe für den Übergang<br />
von einer zur anderen Residenz<strong>for</strong>m, die die gesamte Sozialorganisation einer<br />
Gesellschaft verändern. Die Hervorhebung der Residenzregel relativiert<br />
in gewissem Sinne die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen, insbesondere<br />
für die Stellung der Frau.<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, daß die bevorzugte Residenz einen<br />
größeren Einfluß auf die Rechtsstellung der Frau hat, als ihr meist zugesprochen<br />
wird. Die meisten ethnologischen Schriften vermitteln den Eindruck, die Zugehörigkeit<br />
zu einer bestimmten Abstammungsgruppe sei der wesentliche Faktor<br />
für verschiedene Rechte, z.B. für die Vererbung von Nutzungsrechten an Grund<br />
und Boden. Dies ist zwar nicht falsch, aber ein eingeschränkter Standpunkt, denn<br />
nach der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit kann es auch der Wohnort sein,<br />
welcher bestimmt, welche Formen der Produktionsgemeinschaft gebildet werden<br />
und wie sich daraus ” Rechte“ ableiten.<br />
Auf der Suche nach Erklärungen für das Entstehen von Uxorilokalität erschien<br />
die Arbeit von William Tulio Divale am plausibelsten zu sein. Divale bezieht<br />
sich in seiner Schrift ” An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence“ (1975) auf Keith<br />
Otterbein und Charlotte Otterbein (1965), sowie auf Keith Otterbein (1968), die<br />
bei bevorzugter Patrilokalität eine signifikante Verbindung zwischen ausgeprägter<br />
Polygynie, häufig auftretenden Fehden und internaler Kriegführung sehen. <strong>Gesellschaften</strong><br />
mit bevorzugter Patrilokalität gemeinsam mit Polygynie sind gekennzeichnet<br />
durch internale Disharmonie im Sinne von beiden, innerhalb der lokalen<br />
Gesellschaft durch Fehden und innerhalb der Gesamtgesellschaft durch internale<br />
Kriegführung. 2 Hingegen richten <strong>Gesellschaften</strong> mit vorwiegend uxorilokaler Residenz<br />
ihre Feindschaften fast ausschließlich gegen Außenstehende, Fehdeführung<br />
2 Divale 1975, An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal Residence, S.102. Keith und Charlotte Otterbein<br />
(1965): An Eye <strong>for</strong> an Eye, A Tooth <strong>for</strong> a Tooth: A Cross Cultural Study of Feuding, American<br />
Anthropologist, 67, S.1470–1482; Keith Otterbein (1968): Internal War: A Cross Cultural Study,<br />
American Anthropologist 70, S.277–289.