Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 133<br />
ist beachtenswert – der Effekt der Kriegführung über weite räumliche Distanzen,<br />
welche zum Teil eine größere zeitliche Abwesenheit der wehrfähigen Männer bedingte.<br />
Aus dieser geschlechtsspezifischen Trennung resultiere, so Bachofen, die<br />
Notwendigkeit sowohl der autonomen Organisation des Alltags seitens der Frauen<br />
als auch teilweise die Übernahme von Funktionen der Selbstverteidigung. Der<br />
Mythos der kämpfenden ” Amazonen“ ließ sich so für Bachofen auf eine reale<br />
gesellschaftliche Gegebenheit beziehen, und deshalb war für ihn nicht nur die Gynaikokratie,<br />
sondern auch das Amazonentum eine durchaus plausible historische<br />
Realität.<br />
Krieg und Beutezüge führen die Männer in weite Entfernungen und entziehen<br />
sie auf längere Zeit dem Hause und der Familie. Solchem Leben ist<br />
des Weibes Herrschaft eine Notwendigkeit. Die Mutter pflegt die Kinder,<br />
besorgt das Feld, regiert das Haus und der Diener Schar, verteidigt auch,<br />
wenn es die Not er<strong>for</strong>dert, mit gewaffneter Hand Heimat und häuslichen<br />
Herd, wie denn die Lykierinnen bewaffnet zur Ernte ausziehen. Besitz und<br />
Übung der Herrschaft, verbunden mit der Tüchtigkeit in Führung der Waffen,<br />
steigern in dem Weibe das Bewußtsein seiner Würde und Macht. Hoch<br />
ragt es über den Mann hervor, und in der körperlichen Schönheit, durch die<br />
sich namentlich die Lemnerin auszeichnet (Schol. Apoll. Rh. 1,867.) spiegelt<br />
sich der Glanz ihrer Stellung. [...] Nach der einen wie nach der andern<br />
Erklärung erscheinen die Männer in einer Stellung, welche bei der Frau<br />
das Bewußtsein der höhern Macht und der Überlegenheit an geistiger und<br />
körperlicher Vollendung immer mehr zum Bewußtsein bringen mußte. 33<br />
Diesem Aspekt der Kriegführung sind nun auch verschiedene Ethnologen nachgegangen.<br />
Keith F. Otterbein und Charlotte Swanson Otterbein (1965) 34 weisen darauf hin,<br />
daß Blutrache, Fehde- und Kriegführung bereits in den ersten anthropologischen<br />
Theorien eine bedeutende Stellung eingenommen haben. Das Interesse an der<br />
Jurisprudence war Ausgangspunkt vieler Evolutionisten wie z.B. Richard Cherry<br />
(1890), der argumentiert hatte, daß das Recht durch eine Serie von Zuständen<br />
evolviert: von der Fehdeführung ohne Entschädigung, gefolgt vom Zustand, in<br />
welchem Blutgeld bezahlt werden konnte. Sein Ansatz ging davon aus, daß je<br />
höher die politische Komplexität einer Gesellschaft sei, desto seltener würden<br />
Fehden ausgetragen. 35<br />
Otterbein und Otterbein haben von 50 <strong>Gesellschaften</strong> aus den Human Relation<br />
Area Files (HRAF) und dem ” Ethnographic Atlas“ anhand einer Cross-Cultural<br />
33 Heinrichs 1975, J.J. Bachofen Das Mutterrecht, Lemnos, 44, S.220.<br />
34 Keith F. Otterbein und Charlotte Swanson Otterbein (1965): An Eye <strong>for</strong> an Eye – A Tooth<br />
<strong>for</strong> a Tooth: A Cross-Cultural Study of Feuding, in: American Anthropologist, Vol. 67(6):1470–<br />
1482.<br />
35 Otterbein und Otterbein 1965, An Eye <strong>for</strong> an Eye, S.1470: Richard A. Cherry (1980):<br />
Lectures on the Growth of Criminal Law in Ancient Communities, Macmillan & Company,<br />
New York.