Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 221<br />
Dorf und ihre Verwandten Gefahren. Deshalb ist das Einhalten von besonderen<br />
Vorschriften besonders wichtig; wie z.B. Material-, Raum- und Speisetabus (die<br />
von Dorf zu Dorf variieren), sowie die rituelle Körperhaltung und ein Schweigegebot.<br />
Damit die Initiandin ein Bedürfnis – trotz verordneten Schweigens –<br />
artikulieren kann, bedient sie sich einer Pfeifsprache (chitwoli), die die notwendigen<br />
Codes enthält, um Wasser und Nahrung zu erbitten oder jemanden zu rufen.<br />
Kontakte zur Mutter und zu den übrigen Frauen bestehen trotz Seklusion: ihre<br />
Mutter bringt ihr das Essen, die übrigen Frauen besuchen sie tagsüber und geben<br />
ihr auf humorvolle Weise persönliche Ratschläge, die sie aus eigener Erfahrung<br />
besitzen. 116<br />
Die äußeren Zeichen der Initiation in die Luvale-Gesellschaft der Frauen stellen die<br />
Initiationsnarben dar. Dabei wird unterschieden zwischen den jichato-Narben,<br />
die im unteren Rückenbereich in üppigen, blumenähnlichen Mustern skarifiziert<br />
werden und den mikaka-Narben, als waagrechte schmale Linien knapp über den<br />
Schamhaaren. Die letztgenannten Narben sind die eigentlichen Initiationsnarben<br />
und entsprechen der Vorhautbeschneidung der Knaben. 117<br />
Stellt die chilombola fest, daß die mwali die notwendige Reife erreicht hat, dann<br />
wird mit den Vorbereitungen für das Abschlußfest begonnen. Die Frauen beginnen<br />
Bier zu brauen und ein Körperöl (maji amono) herzustellen. Das Abschlußfest<br />
findet bei Vollmond mit vielen geladenen Gästen statt. Am Abend vor dem letzten<br />
Tag tanzt die mwali zur Musik des ngomba ihre erlernten Tanzstile, dabei ist ihr<br />
Körper mit Kaolin und rotem Ocker in einem Muster aus Streifen und Punkten<br />
bemalt. In der Farbsymbolik steckt weiß für Kindheit (Muttermilch, Brüste,<br />
Luft, Leben, Wiedergeburt, Segen, Transzendenz) und rot für den Status der<br />
erwachsenen Frau (Uterus, Blut, Erde, Geburt). Die mwali wird durch rituelle<br />
Waschungen und andere Ereignisse von den Frauen auf ihren Auftritt vorbereitet.<br />
Sie erhält ein rotes ” Ölkleid“, das jede Stelle ihres Körpers bedeckt. Während der<br />
Seklusionsperiode war ihr Körper mit weißer Asche verhüllt, nach Abschluß des<br />
alten und Übergang in den nächsten Lebensabschnitt erscheint sie von Kopf bis<br />
Fuß rot. Sie wird mit einer Beerenkette geschmückt und mit einem Lendenschurz<br />
bekleidet. Die Frauen breiten eine Decke als Prozessionsdach über sie und bewegen<br />
sich als Gruppe mit der mwali im Zentrum – singend, klatschend und mungongitanzend<br />
– auf die Dorfmitte zu, wo der ngomba und andere Musiker den Rhythmus<br />
mit den Trommeln vorgeben. Am Dorfplatz lüften die Mutter mit der Feldhacke<br />
und der Vater mit der Axt das Prozessionsdach der mwali; nun ist sie als Frau<br />
in die Luvale-Gesellschaft aufgenommen. Axt und Feldhacke sind die Insignien<br />
der höchsten Würdenträger der -Luvale. Das Ziel bildet das Haus der Eltern.<br />
Es wird eine Matte für die mwali ausgebreitet, wo sie sitzend kleine Geschenke<br />
entgegennimmt. 118<br />
116Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.356. E.M. Rauter 1993, Litungu Lya Mwali.–<br />
Mädcheninitiation, S.33–34.<br />
117Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.356.<br />
118Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.362–363.