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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 85<br />

Ebenso wie im übrigen Europa gab es in England auch kirchliche Gerichte, welche<br />

kanonisches Recht und den kanonischen Prozeß anwendeten. Dazu gehörten der<br />

Court of Admiralty (der bedeutendste unter allen), das Kriegsgericht, wie auch<br />

die Gerichte der Vizekanzler der beiden englischen Universitäten in Ox<strong>for</strong>d und<br />

Cambridge. 73 Die Gerichte der anglikanischen Kirche verwendeten in der Praxis<br />

in Ehesachen und Testamentsangelegenheiten weiterhin das kanonische Recht.<br />

Heinrich VIII. wählte das römische Recht (wie Griechisch, Hebräisch und protestantische<br />

Theologie) als Gegenstand der königlichen Lehrstühle aus, die er in<br />

Ox<strong>for</strong>d und Cambridge einrichtete. 74<br />

Das Prinzip des römischen Rechts, so wie es Justinian kodifizieren hatte lassen,<br />

lautete ” non exemplis sed legibus iudicandum“ (Urteile sollen nicht in Anlehnung<br />

an Beispiele, sondern gemäß den Gesetzen gefällt werden) (C.7.45.13), d.h.<br />

die Richter sollten bei jedem Fall das Gesetz auslegen und nicht einfach Präzedenzfällen<br />

folgen. 75<br />

Nach Justinians Definition hat alles Recht ein Ziel, nämlich einem jeden<br />

das, was ihm zusteht, auch zukommen zu lassen ( ” Suum cuique tribuere“;<br />

D.1.1.10.1). Somit handelt das göttliche Recht von dem, was Gott gebührt,<br />

das öffentliche Recht von dem, was der Allgemeinheit dient, und das Privatrecht<br />

hat mit dem zu tun, was dem einzelnen zusteht. 76<br />

Die frühen Rechtssammlungen zitierten hauptsächlich die Autoritäten des römischen<br />

Rechts. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden jedoch die eigenen früheren<br />

Entscheidungen routinemäßig als Präzedenzfälle zitiert. Dies wurde als selbstverständlich<br />

vorausgesetzt, da die Gerichte im Normalfall einem Präzedenzfall<br />

folgen würden, obwohl sie dazu nicht verpflichtet waren. Das richterliche Gewohnheitsrecht<br />

zeigt sehr genau, in welchem Mischverhältnis gewohnheitsrechtliche und<br />

römische Element der Rechtsprechung standen. 1563 erschien die Rechtssammlung<br />

von Philibert Bugnyon mit dem Titel ” Legum abrogatarum et dominiis regni<br />

Franciae Tractatus“ (Abhandlung über in allen Gerichtshöfen, Ländern, Gerichtssprengeln<br />

und Herrschaftsgebieten des Königreichs Frankreich abgeschaffte und<br />

ungebräuchliche römische Gesetze). Daraus ergab sich die Unterscheidung zwischen<br />

dem generell geltenden ius commune und dem usus <strong>for</strong>i (Gerichtsgebrauch)<br />

einer bestimmten Region. Die Frage nach der Beweislast in Zweifelsfällen führte<br />

zu heftigen Debatten, z.B. auch in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. 77<br />

Mit der Entstehung der Wissenschaft vom römischen Recht sahen die Anhänger<br />

des Humanismus unter den Professoren in Bourges, daß sich das Recht, ebenso<br />

wie andere Wissenschaftszweige, als logisches Fortschreiten vom Allgemeinen zum<br />

Besonderen entwickelt hatte und Cicero sollte zum Vorbild der Juristen werden.<br />

73 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.146.<br />

74 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.147. Die Besetzung dieser Lehrstühle sollte ein<br />

Vorrecht der Krone sein und bis auf den heutigen Tag, wie Stein schreibt, ist es so geblieben.<br />

75 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.149.<br />

76 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.152.<br />

77 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.149.

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