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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 220<br />

ulengo und weitere. Dabei wird den öffentlichen Tanzauftritten große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. Es gibt aber auch Tänze, die die Initiandin nur unter Frauen<br />

übt, denn diese sensibilisieren sie auf ihr zukünftiges Geschlechtsleben. Das intime<br />

” Tanzen“ zwischen Frau und Mann nachts im Bett wird mutenya genannt<br />

und zeigt die Korrelation zwischen Tanz und Sexualität. Die öffentliche Version<br />

des mutenya-Tanzes wird kachacha genannt, dabei entfällt die Ebene der Bodenlage.<br />

Die Übernahme des Christentums hatte zur Folge, daß der intime Tanzstil<br />

als ” anstößig“ empfunden wurde. Deshalb entfällt bei den christianisierten Familien<br />

der gesamte Tanzunterricht und dadurch veränderten sich empfindlich die<br />

Lehrinhalte bei der traditionellen Mädchenerziehung. 112<br />

Das Tanzkostüm der Initiandin besteht aus: zwei Stofftüchern (vilondo), Beinrasseln<br />

an den Waden und alle unbekleideten Körperteile werden mit Kaolin (pemba)<br />

bestrichen. Bevor die mwali zu tanzen beginnt, wirft ihr der Musiker (ngombo)<br />

einen Tanzgürtel zu, der mit Sand und Stoffresten gefüllt ist (Gewicht von ca. 3<br />

kg). Der Gürtel wird so um die Hüfte gebunden, daß der füllige und schwere Teil<br />

am Rückenboden aufliegt. Durch die außen angebrachten Utensilien wird der chivamba<br />

zu einem schwingenden und klingenden Tanzinstrument. Mit ausladender,<br />

differenzierter Beckenbewegung und dezent über die Schulter gesenktem, abgewendetem<br />

Blick, tanzt sie immer in gerader Linie auf die Männer zu, so jedenfalls<br />

die Beschreibung von Rauter. Während des gesamten Tanztrainings steht die<br />

mwali in konzentrierter und aufmerksamer Verbindung mit ihrem Musiker. Wird<br />

der Tanznachmittag beendet, so wirft die mwali ihren Tanzgürtel in den Sand<br />

und verläßt den Tanzplatz. 113<br />

Die chilombola ist verantwortlich, daß die mwali die unterschiedlichen Tänze<br />

beherrscht und eine gute Tänzerin wird. Eine besonders gewandte und geübte<br />

Tänzerin erfreut die Eltern und bringt der chilombola Ehre und Anerkennung.<br />

Dies wirkt sich wiederum auf die Verheiratung aus: Männer wollen eine gute<br />

Tänzerin heiraten. Die mwali kann ihren Brautpreis durch ihren Trainingseifer<br />

beeinflussen und hofft, dadurch einen guten Mann zu bekommen, der einen entsprechenden<br />

Brautpreis bezahlt. 114<br />

Die Initationsphase kann ein halbes bis zu einem dreiviertel Jahr dauern. Heute<br />

steht die traditionelle Erziehung häufig in Konflikt mit dem englischen Erziehungssystem.<br />

Deshalb wird litungu lya mwali teilweise auch auf die Sommerferien<br />

verlegt und zeitlich beschränkt. Durchschnittlich lebt die mwale drei bis 8<br />

Monate vom Dorf getrennt und lernt neben chiyanda- und mutenya-Tänzen die<br />

weiblichen Traditionen der Medizin, Kenntnisse über Heilpflanzen und Bäume.<br />

Dabei werden ihr die Orte genannt, wo sie wachsen und Kräfte und Gefahren<br />

bezeichnet, mit denen sie verbunden sind. 115<br />

Die Übergangssituation der mwali birgt sowohl für sie selbst als auch für das<br />

112 Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.357.<br />

113 Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.359–360.<br />

114 Rauter 1993, Das Mädchen lernt tanzen, S.353.<br />

115 E.M. Rauter 1993, Litungu Lya Mwali.– Mädcheninitiation, S.29.

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