Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 12<br />
rung nicht ausschließlich über die Jagd erklärbar, sondern eher durch eine längere<br />
Abhängigkeit des Kleinkindes, so auch Sally Slocum (1975):<br />
Hunting cannot explain its own origin. It is much more logical to assume<br />
that as the period of infant dependency began to lengthen, the mothers<br />
would begin to increase the scope of their gathering to provide food <strong>for</strong><br />
their still-dependent infants. 2<br />
Kathleen Gough (1975) schrieb in ihrem Artikel ” The Origin of the Family“, daß<br />
als Ursprung der Familie die Zeit zwischen 2 Millionen Jahren und 100.000 Jahren<br />
angenommen werden kann. Entscheidend ist vor allem, daß die Familialisierung<br />
bereits vor der Entwicklung zum Homo sapiens begonnen hat. Die in der Literatur<br />
angeführten biologischen Kriterien des Homo sapiens sind: der aufrechte Gang,<br />
Hände zum Tragen und damit verbunden die Möglichkeit des Werkzeuggebrauchs,<br />
die Größe des Gehirns und die Sprachfähigkeit.<br />
Zur Rekonstruktion des Familialisierungsprozesses gibt es grundsätzlich drei<br />
Ansätze: (1) Die Sozialorganisation der Primaten (also nicht: vormenschliche Ahnen,<br />
da von fossilen Hominiden wenig über ihr soziales Leben ausgesagt werden<br />
kann); (2) älteste Funde von einfachen Werkzeugen, Waffen und Behausungen des<br />
vormodernen Menschen (vormodern bezieht sich hier ausschließlich darauf, daß<br />
diese noch nicht zur Art des Homo sapiens gehören, wie z.B. der Homo erectus!);<br />
(3) das Familienleben von rezenten Jäger- und Sammlergesellschaften. Alle drei<br />
genannten Ansätze sind problematisch und lassen keine direkten Rückschlüsse<br />
auf die Entstehung der Familie zu. 3<br />
Beim Vergleich zwischen Homo sapiens und Primaten sind folgende Aspekte für<br />
unseren Zusammenhang relevant:<br />
1. Der Vergleich der Chromosomen: fast 99 % des genetischen Materials sind<br />
beim Menschen und Schimpansen ident. Uns interessiert also nur dieses eine<br />
Prozent, das für das ” Menschsein“ entscheidend ist. 4<br />
2. Die soziale Interaktion: Primaten und ihre ” Beziehungskiste“; Beobachtungen<br />
ergaben, daß Primaten zwischen 80 % und 90 % der Zeit mit sich und<br />
2 Sally Slocum (1975): Woman the Gatherer: Male Bias in Anthropology, in: Rayna R. Reiter<br />
(Hrsg.), Toward an Anthropology of Women, Monthly Review Press, New York, London, S.36–<br />
50; Hervorhebung im Original, S.43.<br />
3 Gough 1975, The Origin of the Family, S.51; ebenso bei Hannes Wimmer (1996): Evolution<br />
der Politik. – Von der Stammesgesellschaft zur modernen Demokratie, WUV-Universitätsverlag,<br />
Wien, S.105–106; Wimmer bezieht sich auf G.G. Simpson 1969, S.9ff., und schreibt: ” Die<br />
Fossil<strong>for</strong>schung findet allerdings nur Knochen und Gegenstände, aber keine Sozialorganisation<br />
dieser Lebewesen – ein typisches Problem der Evolutions<strong>for</strong>schung, auf das Georg G. Simpson<br />
(1969) vor längerer Zeit hingewiesen hat: die Evolutions<strong>for</strong>schung beschäftigt sich aus methodischen<br />
Gründen mit der Morphologie der Organismen (Fossilien), deren Veränderungen im<br />
zeitlichen Ablauf und den Umweltbedingungen. Die Evolution des Verhaltens könne auf diese<br />
Weise nicht beobachtet werden.“<br />
4 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.104.