Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 181<br />
– wie Franz Boas, A.A. Goldenweiser, C.G. Seligman, W.H.R. Rivers und andere<br />
– diesen Forschungsansatz auf und führten psychologische Untersuchungen<br />
durch. Die behavioristische Schule gab den Anthropologen eine methodische<br />
Grundlage und diente in vielen Bereichen zur Erklärung von Gesellschaftsnormen.<br />
Die Erkenntnisse Freuds wurden nach Herskovits nur langsam, wenn überhaupt,<br />
akzeptiert. Der Grund dafür war, daß Freud dem Symbolismus des Traums zu<br />
große Bedeutung geschenkt hatte. Freud hatte sich in ” Totem und Tabu“ 6 mit<br />
dem vorhandenen anthropologischen Material auseinandergesetzt und damit dazu<br />
beigetragen, daß seine psychoanalytischen Untersuchungen von vielen Anthropologen<br />
rezipiert wurden. Freud begründete in der Untersuchung der menschlichen<br />
Psyche die Anziehungskraft zwischen der Mutter und ihrem Sohn mit dem Unbewußten,<br />
das durch eine zweifache Einstellung dem Vater gegenüber entsteht.<br />
Freud nannte es den Ödipus-Komplex nach dem griechischen Drama des Königs<br />
Ödipus. 7<br />
Als Resultat stellte Freud eines seiner wertvollsten Konzepte auf, nämlich die<br />
Ambivalenz bei irgendeinem gegebenen Zeitpunkt, zu dem jemand zur gleichen<br />
Zeit von irgendeiner gegebenen Person oder eines Objektes angezogen und gleichzeitig<br />
abgestoßen sein kann, mit anderen Worten Lieben und Hassen zur selben<br />
Zeit. Im Sinne von Freud bestanden die Vorstellungen der Konkurrenz zwischen<br />
Vater und Sohn schon in der frühesten Menschheitsgeschichte. Herskovits schreibt<br />
darüber folgendes:<br />
In the Urfamilie, the primaeval family, the ‘Old Man’ by right of brute<br />
<strong>for</strong>ce, ruled unquestioned, and all the women of the horde where his. As<br />
his sons grew older, they rebelled, and one day combined <strong>for</strong>ces to murder<br />
their progenitor. Moreover, they made on his body a cannibalistic feast so<br />
as mystically to take his power <strong>for</strong> themselfes. Returning to the women,<br />
now available to them, they held to their pact not to reveal what they<br />
had done. Their food, they said, had been an animal that was from then<br />
on to be so sacred that it must not be eaten. Hence the phenomenon of<br />
ambivalence in the human mind manifested in the wider social scene by<br />
the totemic symbols of many peoples, since the totem is a symbol at once<br />
sacred and loved, and yet tabooed and thus to be avoided. 8<br />
Malinowski (1927) übernahm den psychologischen Ansatz Freuds im Zusammenhang<br />
mit den Gegebenheiten bestimmter Typen von familiaren Beziehungen und<br />
stellte fest, daß es den Ödipus Komplex, wie ihn Freud definiert hatte, nicht<br />
überall gibt. Malinowski arbeitete auf den Trobriand-Inseln Melanesiens, wo die<br />
Verwandtschaft auf matrilinearer Abstammung beruht. Dabei fand er viele Beispiele<br />
in unbewußt gesagten Statements und in den Träumen der Trobriander, wo<br />
6 Siegmund Freud (1982): Totem und Tabu. – Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der<br />
Wilden und der Neurotiker (1912–13), Band IX, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am<br />
Main.<br />
7 Herskovits 1949, Man and his Works, S.46–47.<br />
8 Herskovits 1949, Man and his Works, S.48.