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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 93<br />

das reine römische Recht der klassischen Zeit wieder Geltung erlangen würde. 108<br />

Donellus hat gezeigt, daß es im reinen römischen Recht kein geteiltes Eigentum<br />

gab, wie aber konnte man das dominium directum (eigentliches Eigentum) des<br />

Lehensherrn und das dominium utile (nutzbares Eigentum) des Vasallen und ihre<br />

jeweiligen Rechte qualifizieren? Antworten wurden darauf gesucht: der römische<br />

Begriff der Dienstbarkeit, d.h. dingliche Belastung eines Grundstückes, dient zur<br />

Beschreibung der Rechte der Lehensherrn und Vasallen. Die Dienstbarkeit ist<br />

entweder persönlicher oder dinglicher Natur. Die wichtigste persönliche Dienstbarkeit<br />

war der Nießbrauch; dieser diente lange Zeit für das Recht des Vasallen,<br />

in der Besonderheit, daß der Vasall vererbliches Recht hatte. Will man Vasallen<br />

als eigentliche Eigentümer ansehen, so muß das beim Lehensherrn verbleibende<br />

Recht nur noch mit einer Grunddienstbarkeit, etwa mit dem Wegegeld, vergleichbar<br />

sein, und dieses Recht konnte durch Verjährung erlöschen. 109<br />

Die Suche nach dem gereinigten römischen Recht zur Problemlösung in den deutschen<br />

Ländern hatte bei den Richtern und Praktikern wenig Erfolg. Letztere wollten<br />

nach streng juristischen Argumenten die Befreiung der Bauern von den Lasten<br />

des Lehenssystems erreichen. Erst im Gefolge der Revolution von 1848 wurde die<br />

Bauernbefreiung durch Gesetzgebung vollendet. Savigny sah keinen Widerspruch<br />

zwischen historischen Studien und Pandektenwissenschaft; beide beleuchten zwei<br />

Seiten derselben Erscheinung. Seine Nachfolger widmeten sich der Pandektenwissenschaft<br />

weniger historisch und bewegten sich eher in die Richtung einer<br />

Wissenschaft des positiven Rechts. Um 1850 wird ein römisches Recht ge<strong>for</strong>dert,<br />

daß die materialistischen Wertvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft zum<br />

Ausdruck bringen sollte. Gleichzeitig setzte die nachdrückliche Forderung nach<br />

Kodifizierung ein; 1861 trat das kodifizierte Handelsrecht für ganz Deutschland in<br />

Kraft, das auf den Handelsbräuchen beruhte und nicht auf römischem Recht. 110<br />

Da das römische Recht bei der Gestaltung von vertraglichen Abmachungen große<br />

Freiheiten ließ und sich nicht mit den komplizierten juristischen Instrumentarien<br />

des modernen Handelsverkehrs beschäftigte – worauf Max Weber hinwies – wie<br />

Rentenbrief, Inhaberpapiere, Aktie, Wechsel, Handelsgesellschaft, Hypothek (Kapitalanlagen),<br />

welche im römischen Recht nicht vorhanden waren. Die Romanisten<br />

konzentrierten sich auf die Arbeit am Inhalt des bürgerlichen Gesetzbuches. Das<br />

römische Recht mußte von den Elementen gereinigt werdem, die an eine nichtindustrielle<br />

Gesellschaft erinnern, in der es entstanden war und sich an eine am<br />

Handel und Industrie orientierte Gesellschaft anpassen. Die Romanisten machten<br />

die Pandektenwissenschaft zur Basis der materiellen Regeln des neuen Gesetzbuchs<br />

und behaupteten so, daß das Gesetz unpolitisch, unparteiisch sei, und sie<br />

selbst als Vertreter dieses Rechts über alle Politik erhaben wären. 111<br />

108 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.195.<br />

109 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.196.<br />

110 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.197.<br />

111 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.198. Als die bedeutendsten deutschen Romanisten<br />

nennt Stein: Rudolf von Jhering und Bernhard Windscheid, beide sind 1892 gestorben.

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