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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 94<br />

Nach Jhering beruht das römische Recht, nicht wie die Naturrechtler behaupteten,<br />

auf moralischen Prinzipien, sondern auf ökonomischen Notwendigkeiten. Das<br />

Leitprinzip sei ” Selbstsucht“. Für ihn war die ideale Grundlage der Rechtsentwicklung<br />

eine langsame und beständige Entwicklung des Rechts, um ein mögliches<br />

Gleichgewicht zwischen bewahrenden und <strong>for</strong>tschrittlichen Kräften zu schaffen.<br />

Als Beispiele für Völker mit diesem Gleichgewicht sieht Jhering das antike Rom<br />

sowie auch England. ” Der Charakter eines <strong>for</strong>tschrittlichen Volkes, wie es die<br />

Römer gewesen waren, beruhte gerade auf der Fähigkeit, sich fremde Ideen und<br />

Institutionen zu eigenen zu machen. [. . .] Daraus zog Jhering den Schluß, daß<br />

sich die Fortschrittlichkeit eines Rechts nicht am Maße seiner Anpassung an den<br />

Nationalcharakter erweise, sondern an der ‘Universalität’. 1857 gründete Jhering<br />

die ‘Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts’“.<br />

Im 1. Heft verkündet er das Motto: ” Durch das römische Recht über das<br />

römische Recht hinaus“. Ein weiterer Aufsatz beschäftigte sich mit der Lehre von<br />

der culpa in contrahendo, d.h. der Lehre von der Haftung für Pflichtverletzungen<br />

beim Abschluß eines Vertrages, für den Fall, daß der Vertrag nicht wirksam<br />

zustande kommt. 112<br />

Windscheid veröffentliche 1856 sein Buch mit dem Titel: ” Die Actio des römisches<br />

Rechts“. Nach ” Savigny war die römischen Actio noch dasselbe, was sie<br />

schon für Donellus gewesen war, d.h. Klagen waren das auf dem Prinzip der Gerechtigkeit<br />

basierende Mittel zur Durchsetzung von subjektiven Rechten, die auch<br />

schon unabhängig von den Klagen bestanden“. Demgegenüber führte Windscheid<br />

den Beiweis, daß der Prätor als Repräsentant des römischen Staates immer dann<br />

Klagebefugnis gewährte, wenn dies aus rechtspolitischen Gründen sinnvoll war,<br />

ohne auf das subjektive Recht Rücksicht zu nehmen. Die modernen Pandektisten<br />

gaben keine Erklärung, welcher politischen Theorie sie anhingen. Die Rechtswissenschaft,<br />

die sie im römischen Recht entdeckt hatten, wie sie glaubten, offenbarte<br />

ein höchst individualistisches Recht, das den Spielraum für Vertragsfreiheit ohne<br />

jede Rücksicht auf Ungleichgewicht beim Aushandeln der Vertragsbedingungen<br />

vergrößerte, bot damit dem Privateigentum den größtmöglichen Schutz und verringerte<br />

gleichzeitig die Verantwortlichkeit der Unternehmer für Schäden, die sie<br />

anderen Menschen durch ihre Geschäfte zufügen könnten auf ein Minimum. 113<br />

Die Errungenschaften der Rechtswissenschaft wurden von Windscheid im ” Lehrbuch<br />

des Pandektenrechts“ (zwischen 1862 und 1870) zusammengefaßt. Dieses<br />

Werk hatte großen Einfluß auf den Inhalt des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

(BGB) von 1900. Das System des BGB unterliegt nicht der strengen Ordnung der<br />

Nach Jhering sei die Jurisprudenz die ” Mathematik“ des Rechts und führe damit zur Verwirrung<br />

und Verkennung des Wesens des Rechts: ” Das Leben ist nicht der Begriffe, sondern die<br />

Begriffe sind des Lebens wegen da. Nicht was die Logik, sondern was das Leben, der Verkehr,<br />

das Rechtsgefühl postuliert, hat zu geschehen, möge es logisch deducirbar oder unmöglich sein.“<br />

Rudolf von Jhering (1888): Geist des römischen Rechts, 3.Theil, Erste Abtheilung, 4.Auflage,<br />

Leipzig; Schreibweise nach Original, Stein 1996, S.199.<br />

112 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.199–200.<br />

113 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.200.

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