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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 119<br />

Daß gegenteilige Aussagen von den Autorinnen als ” unseriös“ abqualifiziert werden,<br />

erscheint mir aus ethnologischer Sicht nicht gerechtfertigt; denn sofern sich<br />

die Archäologie nicht nur mit ” Funden“, also materiellen Objekten beschäftigt,<br />

sondern auch mit den <strong>Gesellschaften</strong>, welche diese Objekte hervorgebracht haben,<br />

so hat es auch die Archäologie mit ” segmentären <strong>Gesellschaften</strong>“ zu tun. Sofern es<br />

sich um die Zeit vor der Erfindung des Ackerbaus handelt, konnten es überhaupt<br />

nur Jäger- und Sammlergesellschaften gewesen sein. Die Frage der Seriösität oder<br />

Unseriösität der Annahme eines Matriarchats läßt sich daher wahrscheinlich aus<br />

rein archäologischer Sicht gar nicht beantworten, sondern muß über eine Theorie<br />

segmentärer <strong>Gesellschaften</strong> gestellt werden.<br />

Ähnliches gilt auch für die sogenannten klassentheoretischen Ansätze, welche Paula<br />

Webster 188 (1975) diskutiert, in erster Linie die Autorinnen Eleonor Leacock, 189<br />

Kathleen Gough, 190 Simone de Beauvoir, 191 Elizabeth Gould Davis, 192 Shulamith<br />

Firestone, 193 auf welche ich hier im Detail nicht eingehen kann, bzw. welche ich im<br />

Falle von Kathleen Gough bereits im 1. Kapitel besprochen habe. Das Gemeinsame<br />

dieser Schriften scheint mir zu sein, daß hier die Erklärung von Unterordnung<br />

und Unterdrückung der Frau auf eine geschlechtsspezifische Machtposition der<br />

Männer begründet wird – eine Machtposition, die sich wiederum aus der Entstehung<br />

einer Klassengesellschaft herleiten lassen soll. Nicht zufällig spielen auch in<br />

diesem Zusammenhang wiederum biologische Argumentationen eine Rolle so z.B.<br />

bei Firestone, welche die gesellschaftliche Hierarchie im allgemeinen und die geschlechtsspezifische<br />

im besonderen darauf zurückführt, daß Ungleichheit aus der<br />

biologischen Funktion des Kindergebärens und der Erziehung durch die Mütter<br />

resultiere. Folglich glaubt die Autorin, diese Funktionen müßten von der Frau abgekoppelt<br />

werden ( ” Kinder aus der Retorte“) und sieht dies als eine Konsequenz<br />

einer ” Notwendigkeit der Revolution“, um Macht und Ungleichheit abzuschaffen.<br />

194<br />

Ganz anders dagegen die Position von Simone de Beauvoir, für welche ” das goldene<br />

Zeitalter der Frauen“ immer schon ein Mythos gewesen sei, weil politische<br />

Macht immer in den Händen der Männer, also männlich bestimmt gewesen sei.<br />

Auch für sie bedingt der Schritt zur Freiheit eine ” sozialistische Revolution“, in<br />

welcher mit der Abschaffung von Ausbeutung einer Klasse durch eine andere auch<br />

188 Paula Webster (1975): Matriarchy: A Vision of Power, in: Rayna R. Reiter (Hrsg.), Toward<br />

an Anthropology of Women, Monthly Review Press, New York und London, S.141–156.<br />

189 Eleanor Leacock (Hrsg.) (1972): Introduction to Frederick Engels, ” The Origins of the Family,<br />

Private Property, and the State“, International Publishers, New York.<br />

190 Kathleen Gough (1971): The Origin of the Family, in: Journal of Marriage and the Family,<br />

33 (November):760–771. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Nachdruck des Aufsatzes aus<br />

dem Sammelband von Rayna R. Reiter (Hrsg.) (1975): Toward an Anthropology of Women,<br />

verwendet.<br />

191 Simone de Beauvoir (1953): The Second Sex, Alfred Knopf, New York.<br />

192 Eizabeth Gould Davis (1971): The First Sex, G.P. Putnam, New York.<br />

193 Shulamith Firestone (1970): The Dialectic of Sex: The Case <strong>for</strong> Feminist Revolution, Ban-<br />

tam, New York.<br />

194 Webster 1975, Matriarchy, S.151.

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