Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Zusammenfassung 299<br />
ersten Kindes. Bei der Erziehung der Knaben haben sich gravierendere Veränderungen<br />
durchgesetzt: die traditionelle Erziehung der Knaben im Pubertätsalter<br />
wurde von den jando-Riten (Rundbeschneidung) ersetzt. Die Übernahme des<br />
Islam dürfte auf der männlichen Seite das religiöse Leben wesentlich stärker<br />
verändert haben, als auf der weiblichen Seite der Gesellschaft. Dafür sprechen<br />
die weiterhin praktizierten Initiationsriten der Mädchen, aber auch die verankerten<br />
symbolischen Handlungen während der Initiationsphase. Die Geburt eines<br />
Mädchens wird höher geschätzt als die eines Knaben, zumindest von den Frauen,<br />
wie dies im zagala-Ritus dargestellt wurde: Kürbiskerne symbolisieren die Geburt<br />
eines Mädchens, während die Kerne der Melone, einer nicht sonderlich geschätzten<br />
Frucht, die Geburt von Knaben symbolisieren.<br />
In den Oraltraditionen werden die in der Umgebung lebenden Dorobo als wichtigste<br />
rituelle Spezialisten angesehen und als die ersten Menschen bezeichnet,<br />
die das Land besiedelten. Dies läßt wiederum vermuten, daß die Ngulu- und<br />
Zigua-Bevölkerung Migranten sind. Die Dorobo-Bevölkerung, die bis vor kurzem<br />
noch Jäger- und Sammler waren, hätten den Ngulu und Zigua über einen mythologischen<br />
Helden Bogen und Pfeil gebracht. Nach Murdock zählen die Dorobo<br />
zu den ostafrikanischen Jägern; er zählt dazu acht verschiedene Gruppen und<br />
nennt als zweite die Dorobo (Andorobo, Asa, Okiek, Wandorobbo). Sie sprechen<br />
einen östlichen Sudandialekt, wie ihre früheren Nachbarn, mit denen sie in einem<br />
” symbiotischen“ Verhältnis standen. Ihr bevorzugter Lebensraum waren die Berggebiete<br />
des Nandi- und Masai-Landes in Kenya, später wanderten sie südwärts<br />
nach Tanganyika. 12 Es scheint, daß die Dorobo durch ihre Beweglichkeit und ihre<br />
Überlegenheit bei ihren Jagdwaffen – Bogen und Giftpfeile – die Ngulu und Zigua<br />
gezwungen haben, ihre internale Kriegführung aufzugeben und durch externale<br />
zu ersetzen. Gleichzeitig übernahmen die Ngulu und Zigua die schlagkräftigeren<br />
Waffen der Dorobo, die heute noch bei den Initiationsriten der Mädchen eine symbolische<br />
Rolle spielen. Die Unterschiede in der Lebensweise (Bodenbau gegenüber<br />
Jagen und Sammeln) dürften aber verhindert haben, daß eine Bevölkerungsgruppe,<br />
die andere besiegen konnte. Daraus dürfte sich letztendlich eine gegenseitige<br />
Anerkennung und Akzeptanz ergeben haben, wie die Oraltraditionen vermuten<br />
lassen. In diesem Beispiel konnte die Migration, aber auch die Sprachunterschiede<br />
nachgewiesen werden; jedoch bleibt die Art der Kriegführung eine Vermutung,<br />
die in Verbindung mit der Theorie von Divale steht.<br />
(d) Das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Bemba-Bevölkerung liegt nach ihren<br />
Oraltraditionen im Belgisch-Kongo. Sie seien die Nachkommen der ” großen“<br />
Luba-Menschen, die den Kasai-Distrikt bewohnten. Über Ihre Migrationsbewegung<br />
wird in zahlreichen Legenden berichtet. Danach begann die Migration im<br />
18. Jahrhundert, die nach der Überquerung des Lualaba Flusses in südlicher und<br />
östlicher Richtung <strong>for</strong>tgesetzt wurde. Es heißt aber auch, daß sie in der Region um<br />
Kasama (das heutige administrative Zentrum des Bemba-Landes) ihr Hauptquartier<br />
errichteten. Diese Region sei unbewohnt gewesen und ihre kriegerischen Aus-<br />
12 Murdock 1959, AFRICA. – Its Peoples and their Culture History, S.59–63.