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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 89<br />

unterrichten und nicht wie bisher auf Latein. Zwischen 1667 und 1681 erteilte<br />

der Kanzler (Ludwigs XIV.) Jean Baptiste Colbert (1619–1683) den Auftrag, zur<br />

Ausarbeitung einiger Kodifikationen in Form von königlichen Ordonanzen. Diese<br />

sollten im gesamten Königreich Geltung erlangen; sie regelten vor allem den Zivilprozeß<br />

sowie das Handelsrecht. Der offizielle Zweck der Ordonanzen des Königs<br />

war für Prozeßrecht, Strafrecht und Handelsrecht einen vom Privatrecht getrennten<br />

Bereich zu schaffen, und damit den Anwendungsbereich des römischen Rechts<br />

für das Privatrecht genau zu umgrenzen. 90<br />

Auch in Spanien verlief die Trennung vom römischen Recht und den Gewohnheitsrechten<br />

ähnlich. 1713 wurde sogar angeordnet, den Unterricht im römischen<br />

Recht an den Universitäten einzustellen und statt dessen ein ” nationales Recht“<br />

zu lehren. Diese Anordnung lehnten aber die Professoren ab und der Rat mußte<br />

1741 eine neue Anordnung erlassen, die es gestattete, sowohl römisches Recht als<br />

auch nationales Recht zu lehren. 91<br />

Das Naturrecht wurde im späten 17. Jahrhundert die treibende Kraft bei der<br />

Weiterentwicklung des römischen Rechts. Im Zusammenhang mit den Kriegen in<br />

Europa zu Beginn dieses Jahrhunderts stieg der Bedarf nach einem unparteiischen<br />

Recht. In diesem Sinne sprach sich der Mathematiker, Jurist und Philosoph G.W.<br />

Leibniz 1667 dafür aus, daß ein natürliches System der Darstellung des Rechts<br />

nur ein ” geometrisches“ sein könne. 92<br />

Die Gleichsetzung von Naturrecht und Moralphilosophie bestätigte Samuel Pufendorf<br />

(1632–1694), der 1661 den ersten Lehrstuhl für ” Natur- und Völkerrecht“ an<br />

der philosophischen Fakultät Heidelberg erhielt. Mit diesem Datum wird das Naturrecht<br />

offiziell als selbständiges Fach anerkannt. Nach Pufendorf hat Gott den<br />

Menschen als soziales und rationales Wesen erschaffen und ihm ein Naturrecht gegeben,<br />

dessen oberste Gebote die Gottesliebe und die Nächstenliebe seien, welche<br />

im Evangelium ihren Ausdruck fänden. Die Menschen haben deshalb drei Pflichten<br />

zu erfüllen: 1. gegenüber Gott, 2. gegenüber sich selbst, und 3. gegenüber<br />

anderen Menschen. 93 Die Pflichten, die der Mensch als Bürger hat, ergeben sich<br />

aus den verschiedenen Gruppierungen, denen er angehört, angefangen von der<br />

Hausgemeinschaft bis zum Staat. 94<br />

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begriff man das Naturrecht immer abstrakter<br />

als System logischer Schlußfolgerungen aus der sozialen und rationalen<br />

Natur des Menschen. Die bedeutendsten deutschen Vertreter waren die Gelehrten<br />

Christian Thomasius (1655–1728) und Christian Wolff (1679–1754). 95 Thomasius,<br />

der an der Rechtsfakultät in Halle lehrte, trat gegen den Wahnsinn der Hexenprozesse<br />

ein. Nach der Überlieferung des Volksmundes konnten erst ” seit den<br />

90 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.171–173.<br />

91 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.173.<br />

92 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.176.<br />

93 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.178.<br />

94 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.179.<br />

95 Stein 1996, Römisches Recht und Europa, S.180.

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