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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 201<br />

len Zusammenhang von Migration, der Art der Kriegführung und dem Auftreten<br />

von matrilinearen Sozialstrukturen hingewiesen. Die obige Diskussion der Wanderungsströme<br />

im zentralen und südlichen Afrika deutet in dieselbe Richtung,<br />

allerdings scheint uns die Bedeutung der Matrilinearität als Abstammungsregel<br />

weniger wichtig zu sein als die Matri-/Uxorilokalität: wahrscheinlich ist die Residenzregel<br />

zeitlich der Umstellung der Abstammungsregel vorangegangen. Wir<br />

können uns den Ablauf dieses Prozesses schematisch etwa folgendermaßen vorstellen:<br />

Erstens, Migration eines größeren Teils von seßhaften Bodenbauern einer Region<br />

in ein neues Siedlungsgebiet; ihr Abstammungssystem ist patrilinear, die<br />

Maritalresidenz patri-/virilokal.<br />

Zweitens, Bildung von Krieger-Camps (z.B. der Imbangala) zum Zwecke der<br />

Verteidigungsbereitschaft bzw. der Bekämpfung und/oder Verdrängung der umliegenden<br />

Bevölkerung. Dies bedingt wiederum die häufige Abwesenheit der<br />

Männer von den Herkunftsdörfern, verbunden mit einer höheren Sterblichkeitsrate<br />

für die Männer. Daraus resultiert in den Dörfern eine gestiegene Unsicherheit<br />

über die Rückkehr der Männer, welche ja nicht nur Ehemänner, Väter von Kindern,<br />

sondern auch Vertreter von Lineages sein können.<br />

Drittens, diese neue Situation verlangt nach Maßnahmen zur Absorption von<br />

Unsicherheit: der Wohnort der Frauen wird zum stabilen Faktor der Verhaltensorientierung<br />

– wahrscheinlich waren es sogar in erster Linie die Männer/Krieger,<br />

welche zum Ort der Frau zurückkehrten und damit die Bedeutung der Lokalität<br />

aufwerteten. Aus dieser Situation ist es durchaus vorstellbar, daß sich die Uxorilokalität<br />

als bevorzugte Residenzregel durchsetzte. 59<br />

Viertens, Uxorilokalität bedeutet per definitionem, daß die Männer im Falle<br />

einer Heirat – zumindest <strong>for</strong>mell, d.h. in Friedenszeiten – ins Haus der Frauen<br />

ziehen. Dies wiederum hat zur Folge, daß sich die engeren patrilinearen Verwandten<br />

des Mannes über mehrere umliegende Dörfer verteilen. Aus diesem Grund<br />

zerfällt die Blutrache- und Fehdegemeinschaft der Männer, die sich ursprünglich<br />

quasi natürlich ergeben hatte, zumal ja alle männlichen Verwandten einer Lineage<br />

im selben Dorf wohnten. Folglich bedarf es sowohl neuer Konfliktregulierungsmuster<br />

in und zwischen den – nunmehr bevorzugt uxorilokal organisierten – Dörfern<br />

(Verfahren der Streitschlichtung und des Aggressionsabbaus, in denen Maskentraditionen<br />

und Geheimbünde eine Rolle spielen), als auch eine Umstellung bei<br />

den Zielen der Kriegführung: da sich die Verwandten der Männer (Brüder) in den<br />

benachbarten Dörfern befinden, muß sich die Feindschaft gegen Gruppen in einer<br />

größeren Entfernung richten.<br />

Fünftens, externale Kriegführung er<strong>for</strong>dert eine ” bessere“ Organisation: die<br />

59 Siehe dazu Audrey I. Richards (1982): Chisungu. – A Girl’s Initiation Ceremony among<br />

the Bemba of Zambia, (Reprint der Erstausgabe von 1956), mit einer Einleitung von Jean La<br />

Fontaine, Routledge, London, New York, S.41: ” In the old days, when conditions of life were<br />

more precarious, there is evidence that fathers were unwilling to let their daughters go away<br />

from home during times of war and raiding.“

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