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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 128<br />

Die postmaritalen Residenzregeln legen fest, wer von den beiden Ehegatten entweder<br />

den Wohnort wechseln muß bzw. gründen beide gemeinsam einen von ihren<br />

Eltern unabhängigen Wohnort. So unterschiedlich die Lebensumstände für das<br />

einzelne Individuum in Bezug auf den Wohnort auch sein mögen, so bedeutet die<br />

Übernahme einer anderen Residenzregel als der bisherigen normalerweise eine<br />

neuerliche Wiederanpassung der gesamten Sozialstrukturen. 20<br />

Es kann davon ausgegangen werden, daß die Existenzbedingungen jeder Gesellschaft<br />

ständigen Veränderungen unterworfen sind; aber wodurch beschleunigt<br />

oder verlangsamt sich dieser Prozeß? Murdock nennt dazu folgende Gründe:<br />

• natürliche Ereignisse, wie Krankheiten oder Epidemien;<br />

• soziale Ereignisse, z.B. Kriege, ” Revolutionen“;<br />

• biologische Ereignisse, z.B. ein Bevölkerungsanstieg;<br />

• internale Anpassung aufgrund von technischen Erfindungen;<br />

• externale Kontakte, welche das kulturelle Ausborgen stimulieren.<br />

So unterschiedlich die kausalen Faktoren im Sozialwandel auch sein mögen, so<br />

stehen bei der Wahl der bevorzugten Residenz nur wenige Alternativen zur<br />

Verfügung. Meist treffen eine Reihe von – in direkter Beziehung zueinander stehende<br />

– Umständen zusammen, die zur Bevorzugung einer der fünf möglichen<br />

Residenzregeln führt. Es entsteht z.B. neolokale Residenz dort, wo durch einen<br />

bestimmten Einfluß eher isolierte, einzelne Individuen oder Kernfamilien mit bevorzugter<br />

Monogamie die Regel sind. 21<br />

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der zur Veränderung der Residenzregel führen<br />

kann, ist – nach Murdock – im Zusammenhang von Überbevölkerung in Verbindung<br />

mit anderen Faktoren zu sehen, die wiederum Migration fördern, oder<br />

das ” Pionierleben“ in einem bereits bewohnten neuen Territorium zur Folge haben.<br />

Aber auch die Ausweitung von Handelsbeziehungen und Industrie, sowie<br />

städtische Entwicklungen können zu Veränderungen in der Erbfolge führen, z.B.<br />

Primogenitur wird durch Teilung des Erbes auf eine bestimmte Anzahl von Erben<br />

ersetzt und kann dann ebenso zur bevorzugten Wahl der neolokalen Residenz<br />

beitragen. Es können sogar Veränderungen in der Architektur Auswirkungen auf<br />

die Residenzregel ausüben; z.B. führte das Verschwinden des Langhauses bei den<br />

irokesischen Stämmen gemeinsam mit anderen Faktoren zur Auflösung der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Frauen. 22<br />

Kathleen Gough stellte in ihrer Hypothese einen Zusammenhang zwischen der<br />

Dominanz eines Geschlechts in der Subsistenzwirtschaft und der Wahl der<br />

20 Murdock 1949, Social Structure, S.202; Murdock verweist dabei auf Lowie (1920): Primitive<br />

Society, S.70–76, S.22–137, S.157–162, S.166–185.<br />

21 Murdock 1949, Social Structure, S.203.<br />

22 Murdock 1949, Social Structure, S.204.

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