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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 179<br />

Die Übernahme einer anderen als der bisherigen Maritalresidenz ist nach Murdock<br />

die Voraussetzung für die Neuorganisation der gesamten Sozialordnung einer<br />

Gesellschaft. William Tulio Divale geht von der Hypothese aus, daß die Migrationsbewegung<br />

einer größeren Bevölkerungsgruppe unter bestimmten Bedingungen<br />

die Entstehung der uxorilokalen Maritalresidenz fördert. Durch die Migration<br />

und die Neuansiedlung in einem bereits bewohnten Gebiet verändert sich die<br />

Form der Kriegführung: eine ursprünglich patrilineare Gesellschaft mit internaler<br />

Kriegführung (d.h. Kriegführung zwischen benachbarten Dörfern) verändert sich<br />

in ihrer sozialen Organisation durch die Migration und richtet ihre kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen gegen außenstehende Bevölkerungsgruppen (d.h. gegen die<br />

im neuen Siedlungsgebiet ansässige Bevölkerung). Dies wiederum habe zur Folge,<br />

daß sich die bevorzugte virilokale Maritalresidenz durch die kriegführungsbedingte<br />

Abwesenheit der Männer zur uxorilokalen Residenz veränderte. Die Veränderung<br />

der bevorzugten Maritalresidenz führt in der Folge zur Anpassung der gesamten<br />

Sozialorganisation einer Gesellschaft. Diese Aussage beruht sowohl auf<br />

George Peter Murdock als auch auf William Tulio Divale, mit seiner Erklärung<br />

über das Entstehen von matrilokaler/uxorilokaler Residenz. In den folgenden Abschnitten<br />

wird auf diese Thematik in bezug auf den sogenannten ” matrilinearen<br />

Gürtel“ Afrikas näher eingegangen. Weiters wird vermutet, daß nach der<br />

Veränderung der Kriegführung in Verbindung mit der Übernahme der bevorzugten<br />

uxorilokalen Maritalresidenz die Wiederanpassung der Sozialorganisation der<br />

eingewanderten Bevölkerungsgruppen stattgefunden hat und diese wiederum in<br />

enger Verbindung mit dem Entstehen von matrilinearer Deszendenz, Maskentraditionen<br />

und/oder Geheimgesellschaften stehen könnte.<br />

Um <strong>Gesellschaften</strong> als Gesamtheit zu definieren, gibt es unzählige Möglichkeiten.<br />

Sicher sei nach Melville J. Herskovits 3 , daß die Formen der Sozialorganisation<br />

einer Gesellschaft ” gelernt“, oder besser durch Sozialisation und Enkulturation<br />

geprägt wird. Der Mensch muß sich sowohl an die natürlichen Gegebenheiten –<br />

Bodenqualität, Wasservorkommen, klimatische Bedingungen, die vorgegeben sind<br />

– als auch an die An<strong>for</strong>derungen, die sich aus dem Zusammenleben von Gruppen<br />

von Menschen ergeben und die situationsabhängig sind, anpassen. Jede Gesellschaft,<br />

die gezwungen wird, ihr bisheriges Siedlungsgebiet zu verlassen, wird mit<br />

einer neuen Situation konfrontiert. Deshalb werden sie sich vor allem in jenen<br />

Regionen ansiedeln, wo zumindest ähnliche oder günstigere Umweltbedingungen<br />

vorherrschen. Die Migrationsbewegung kann folgende Ursachen haben: Bevölkerungsanstieg,<br />

Verknappung der Nahrungsressourcen, klimatische Veränderungen<br />

wie Trockenheit, Segmentation, Überschwemmungen oder das Vordringen anderer<br />

Bevölkerungsgruppen. Findet unter diesen Bedingungen eine Migrationsbewegung<br />

statt, dann werden jene Bevölkerungsteile, die in ein neues Siedlungsgebiet<br />

einwandern, ihre bisherigen Traditionen als Erinnerung und Andenken an ihre<br />

Vorfahren weiter pflegen und wenn nötig, an die neuen Gegebenheiten anpas-<br />

3Melville J. Herskovits (1949): Man and his Works. – The Science of Cultural Anthropology,<br />

2. Auflage, Alfred A. Knopf, New York.

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