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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Theorien zur Entstehung unilinearer Abstammungsgruppen 177<br />

Die alte Ordnung zerfiel; folgende Gründe können zusammenfassend genannt werden:<br />

1. Bereits 20 Jahre nach der Umsiedlung ins Reservat war das Langhaus verschwunden.<br />

Damit änderten sich die gesamten Wohnverhältnisse: die Art<br />

der Kinderbetreuung, die Organisation des Haushalts, der Vorräte und ihre<br />

Verteilung, sowie die bevorzugte Uxorilokalität, etc.<br />

2. Die Trennung der Frauen- und Männerwelt verschwand durch die ständige<br />

Anwesenheit der Männer im Dorf.<br />

3. Die Arbeitskollektive der Frauen, auf denen sich ihre Solidarität gründete,<br />

gab es nicht mehr. Die Männer übernahmen die wichtigen Arbeiten auf<br />

den Feldern. Es entstand eine Familienwirtschaft, beruhend auf der Hausgemeinschaft<br />

zwischen Mann und Frau als Wirtschaftseinheit, die gemeinsam<br />

” ihr“ Feld bestellten.<br />

4. Die Mutter-Tochter-Beziehung wurde durch die Mann-Frau-Beziehung abgelöst.<br />

5. Die Matrilinearität blieb bestehen, aber die matrilinear zentrierte Gesellschafts<strong>for</strong>m<br />

ging verloren (ebenso die Matrilokalität).<br />

6. Durch den übermäßigen Konsum von Branntwein stieg die Aggressivität<br />

zwischen den Männern und wahrscheinlich auch zwischen Frauen und<br />

Männern. Die Aggression der Männer konnte nicht mehr durch Jagd- und<br />

Kriegszüge kompensiert werden.<br />

Bisher wurde immer wieder betont, daß durch das Seßhaftwerden einer Gesellschaft<br />

sich die Situation der Frauen meist verschlechtert hatte. Die irokesischen<br />

Frauen bildeten dabei eine Ausnahme: die Geschlechter gehörten getrennten<br />

Lebens- und Arbeitsbereichen an; die Nachteile der Kinderbetreuung hatten die<br />

Frauen durch die Wohn<strong>for</strong>m des Langhauses gelöst, oder besser vollständig beseitigt;<br />

gleichzeitig waren beide Geschlechter – wie bei nomadisierenden Jäger- und<br />

Sammlergesellschaften – voneinander abhängig. Das Kollektiv der Frauen und ihre<br />

Solidarität beim gemeinsamen Arbeiten auf den Feldern, im Haushalt und bei<br />

der Kinderbetreuung waren die Grundlagen ihres Selbstbewußtseins gegenüber<br />

den irokesischen Männern. Die Männer fanden wiederum ihre Bestätigung durch<br />

Erfolge bei der Jagd und/oder Siegen bei militärischen Auseinandersetzungen,<br />

die die männlichen Solidaritätsgruppen gleichzeitig stärkten.

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