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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 73<br />

2.1.3 Evolutionstheorien und ihre Fehlinterpretationen<br />

Bei der kritischen Auseinandersetzung mit den evolutionistischen Theorien spielt<br />

die Frage, ob ihre Vertreter ausschließlich an eine ” unilineare Evolution“ dachten,<br />

oder ob sie auch an Diffusion von Kulturelementen und Verzweigungen innerhalb<br />

der Evolution gedacht hatten, eine wichtige Rolle. Julian Steward prägte den<br />

Begriff der ” multilinearen Evolution“, obwohl er sich selbst nicht wirklich von<br />

der Vorstellung einer unilinearen Evolution gelöst hatte.<br />

Das Postulat der unilinearen Evolution des 19. Jahrhunderts bezeichnet Marvin<br />

Harris als einen Mythos, da die Evolutionisten systematisch falsch interpretiert<br />

worden seien. Marvin Harris schreibt z.B. zu Spencer:<br />

When we turn to Spencer, there is not the remotest resemblance between<br />

his view of evolution and the unilinear stereotype. Indeed, despite Spencer’s<br />

strong conviction concerning the lawfulness of sociocultural change, he was<br />

actually more ” multilinear than either Julian Steward or Karl Wittfogel“. 38<br />

Marvin Harris zitiert weiters Robert Carneiro (1967), der in diesem Zusammenhang<br />

über Spencer folgendes festhält:<br />

Thus Spencer was not only not a unilinear evolutionist, he was not even<br />

a linear evolutionist . . . he saw evolution as a process of successive branchings<br />

in which increased heterogeneity goes hand in hand with increased<br />

complexity. 39<br />

Die Annahme, daß die evolutionären Zustände als fixe Sequenzen zu sehen seien,<br />

die jede Gesellschaft durchlaufen müsse, wie dies Julian Steward40 (1955) in<br />

” Theory of Culture Change“ als die klassische evolutionäre Formulierung“ des<br />

”<br />

” unilinearen Evolutionismus“ bezeichnete, war in erster Linie Morgans Standpunkt.<br />

Dennoch war Morgan bewußt, daß es Unterschiede zwischen <strong>Gesellschaften</strong><br />

in derselben Periode in der östlichen und westlichen Hemisphäre unzweifelhaft gegeben<br />

hat. Gleichzeitig warnt er aber davor, diese Unterschiede überzubewerten.<br />

Morgans Hauptinteresse an der Geschichte galt eben eher den Gemeinsamkeiten<br />

als den Unterschieden. 41<br />

Zu der Unterstellung, daß alle Evolutionisten nur von einer unilinearen Evolution<br />

ausgegangen seien, gehöre – so Marvin Harris – auch der Mythos, daß sie<br />

38 Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.172–173.<br />

39 Robert Carneiro (ed.) (1967): ” Introduction.“ The Evolution of Society: Selections from H.<br />

Spencer’s Principles of Sociology, University of Chicago Press, Chicago, Ix-lrii, hier S.43; zit.n.<br />

Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.173.<br />

40 Julian Steward (1955): Theory of Culture Change, University of Illinois Press, Urbana, S.14;<br />

zit.n. Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.171.<br />

41 Harris 1968, The Rise of Anthropological Theory, S.171. Es war Morgans Sicht, daß ” the<br />

experience of mankind has run in nearly uni<strong>for</strong>m channels; that human necessities in similar<br />

conditions have been substantially the same“. Harris zitiert Morgan (1877), Ancient Society,<br />

Holt, New York, Hervorhebung im Original, S.8.

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