Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Regionalgebiet Afrika: Der ” matrilineare Gürtel“ 224<br />
einhalten: sie darf weder sprechen noch nach oben schauen, nicht ihren Körper<br />
waschen, noch ihre Haare oder Nägel schneiden. Es ist ihr verboten, Feuerholz<br />
zu machen oder zu arbeiten; ihre Kontakte sind auf die Großmutter und auf unverheiratete<br />
Mädchen beschränkt. Der Kontakt zu ihrem Vater, den Vätern und<br />
den Brüdern des Vaters oder ihrem zukünftigen Ehemann, aber auch zur Mutter<br />
unterliegt einem strengen Verbot. Die Körperhaltung der mwali drückt ihre Passivität<br />
aus, wie Grohs und andere das Verhalten beschreiben. Die Novizin muß<br />
sich der rituell ge<strong>for</strong>derten Unterordnung anpassen und sich dem höheren Wissen<br />
der erfahrenen Frauen fügsam zeigen. Bei den Ngulu wird häufig zu Beginn der<br />
Seklusion eine Labiadectomie (Beschneidung der Schamlippen) durchgeführt,<br />
während bei manchen Zigua-Gemeinschaften diese Operation erst nach der Geburt<br />
des ersten Kindes stattfindet. Beide Bevölkerungsgruppen legen darauf Wert,<br />
daß diese Form der Beschneidung ” nur“ ein kleiner Eingriff sei, im Gegensatz zu<br />
den Massai, die eine Klitorisbeschneidung vornehmen. 125<br />
Grohs analysierte etwa 100 Liedtexte, die während der Initiationsphase gesungen<br />
wurden und versuchte den ” Zusammenhang zwischen Sexulatität und Menstruation,<br />
Sexualität und sinnlicher Wahrnehmung, Sexualität und Fruchtbarkeit<br />
sowie Sexualität und Geschlechterdichotomie“ darzustellen. Die symbolische<br />
Bedeutung der Farben Rot, Weiß und Schwarz wird in den einzelnen Abschnitten<br />
der Initiationsphase und in den Texten der Lieder unterstrichen. Der Symbolismus<br />
der Farben ist dabei nicht statisch, sondern steht immer im Zusammenhang<br />
mit dem jeweiligen Abschnitt der Initiaton. 126<br />
Die mwali lernt die Grundregeln des Verhaltens, die von ihr erwartet werden, um<br />
im Bereich der erwachsenen Frauen als vollwertiges Mitglied akzeptiert zu werden.<br />
Wesentlich ist vor allem die Fruchtbarkeit des Mädchens, die den Fortbestand der<br />
Matrilineage sichert und mit der Farbe Weiß verbunden ist. Der Sero-Tanz wird<br />
der Novizin von einem männlichen Spezialisten beigebracht und ist Teil der Entlassungszeremonie,<br />
die sich aus besonders vielen einzelnen rituellen Abschnitten<br />
zusammensetzt. Im Anschluß an die Riten beim heiligen mgongo-Baum findet die<br />
folgende Szene im Dorf statt, die von Grohs beschrieben wird:<br />
Die Vertreterin des zukünftigen Ehemannes, die Sekilozi heißt, trägt das<br />
Mädchen, das auf ihren Schultern sitzt, in die Mitte des Hofes. Gibt es<br />
noch keinen Freier, was heutzutage oft der Fall ist, übernehmen die Verwandten<br />
von der Seite des Vaters die Rolle des zukünftigen Ehemannes<br />
und seiner Gruppe. Der Vater des Mädchens stellt sich ihr gegenüber auf<br />
und hält in der rechten Hand die weiße Perlenkette, die während der Riten<br />
im allgemeinen von der rituellen Expertin getragen wird. Er hält diese<br />
Kette dicht an die rechte Seite des Kopfes der Novizin und, wie während<br />
ritueller Opfer, wirft weißes Hirsemehl über das Mädchen, wobei er von<br />
rechts nach links zu werfen beginnt. Die Brüder des Vaters wiederholen<br />
diese Handlung in derselben Reihenfolge. Dann kommen die Mutter des<br />
125 Grohs 1995, Frauen und rituelle Macht am Beispiel der Zigua und Ngulu, S.255.<br />
126 Grohs 1995, Frauen und rituelle Macht am Beispiel der Zigua und Ngulu, S.256–258.