29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Einleitung: Grundlinien der Theorie 5<br />

William Tulio Divale geht in seinem Artikel: ” An Explanation <strong>for</strong> Matrilocal<br />

Residence“ (1975) von der Hypothese aus, daß zwischen Migration, externaler<br />

Kriegführung und dem Übergang zur matrilokalen Residenz ein unmittelbarer<br />

Zusammenhang bestehe. Er unterzieht seine Hypothese einer statistischen Überprüfung<br />

und konnte den ” Beweis“ liefern, daß die bisher angenommenen Ursachen<br />

für das Vorkommen von matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong> nicht relevant sind. Bisher<br />

wurde angenommen, daß klimatische Bedingungen, die Art des Bodenbaus und<br />

der Anteil der Frauen an der Produktion der Nahrungsmittel ausschlaggebend für<br />

die Entstehung eines matrilinearen Gesellschaftssystems wären. Der theoretische<br />

Ansatz von Divale bildet die Grundlage für die Betrachtung der nachfolgenden<br />

empirischen Beispiele, die im Hinblick auf Migration, Art der Kriegführung und<br />

Übernahme von matrilinearer Deszendenz und uxorilokaler Residenz erörtert werden.<br />

Am Beispiel der irokesischen Stämme, die auch in der Statistik von Divale<br />

angeführt werden, konnte die Hypothese bestätigt werden. Je flexibler und anpassungsfähiger<br />

eine Gesellschaft auf Konflikte reagiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit<br />

des Überlebens ihrer eigenen Traditionen und ihrer Unabhängigkeit,<br />

in Verbindung mit militärischer Überlegenheit. Die alte Ordnung der irokesischen<br />

Stämme verschwand erst durch die aufgezwungene Übersiedlung in Reservate,<br />

die einen unmittelbaren Bruch mit ihren bisherigen Lebensgewohnheiten mit sich<br />

brachte.<br />

Nach dem Ansatz von Divale erfolgt der entscheidende Wandel zunächst nicht<br />

zur Matrilinearität, sondern zur Uxorilokalität. Wenn dies so sein sollte, stellen<br />

sich zwei Fragen: Warum erfolgt aus den von ihm genannten Faktoren der Übergang<br />

von Patrilokalität zur Uxorilokalität? In welchem Zusammenhang steht dieser<br />

Übergang mit dem Vorkommen oder Nicht-Vorkommen von Matrilinearität?<br />

Sein Ansatz bietet folgende Erklärung: (1) Kriegerische Ereignisse oder andere<br />

Ursachen zwingen eine größere Gruppe zur Migration in eine fremde Umgebung.<br />

(2) Das neue besetzte Territorium ist häufig nicht ganz ” menschenleer“ –<br />

trotz dünner Besiedlung –, sondern muß erobert und verteidigt werden, dabei<br />

bilden sich zeitlich ausgedehnte Krieger-Camps und Kriegszüge in etwas weiter<br />

entferntere Gebiete etc., insgesamt also eine zeitlich relativ lange Abwesenheit der<br />

Männer/Krieger, während dessen die Frauen eine Wohn- und Produktionsgemeinschaft<br />

bilden, die auch ohne einen Gutteil der Männer auskommt. Nur die tapferen<br />

Krieger sind abwesend. In dieser Übergangsphase erscheint es so, als hätten nur<br />

die Lineages der Frauen einen direkten Bezug und Anspruch auf Grund und Boden<br />

(Uxorilokalität). Weiters besteht wegen der Unsicherheit über die Rückkehr<br />

der Männer das Problem, über welchen Elternteil das Kind ” verwandtschaftlich“<br />

definiert wird. Aus dieser Problemlage heraus erfolgt, so jedenfalls Divale, der<br />

Übergang zur Matrilinearität. Sofern dies zutrifft, ergeben sich für die ” Theorie<br />

matrilinearer <strong>Gesellschaften</strong>“ zwei wesentliche Konsequenzen:<br />

1. Matrilinearität ist nichts Ursprüngliches, sondern das Resultat eines sekundären<br />

Anpassungsprozesses, welcher den Übergang zur Uxorilokalität<br />

nachgefolgt ist. Das Primäre wäre die Uxorilokalität gewesen, d.h. die Bil-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!