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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Einleitung: Grundlinien der Theorie 4<br />

Die Evolutionisten trafen nun auf segmentäre <strong>Gesellschaften</strong>, die sie nach ihren<br />

juristischen Kriterien klassifizierten und bewerteten. Männer mußten feststellen,<br />

daß es auch andere Möglichkeiten des Zusammenlebens von Kernfamilien gibt,<br />

d.h. Frauen hatten bestimmte Rechte, die ausschließlich den männlichen Evolutionisten<br />

in ihrem Gesellschaftssystem zustanden. Daraus schlossen sie, daß Frauen<br />

über den Männern stehen, letztendlich sie beherrschen“ mußten. Die Vorstel-<br />

”<br />

lung, daß es Gesellschaftssysteme geben könnte, wo es weder einen “Herrscher“,<br />

” König“ oder Papst“, etc. gibt, war und ist teilweise bis heute noch immer ein<br />

”<br />

Verständnisproblem.<br />

Es fällt auf, daß der Titel des Buches von Bachofen nicht heißt ” Herrschaft der<br />

Frauen“, sondern ” Das Mutterrecht“ – also der Rechtsaspekt im Vordergrund<br />

steht. Bachofen und die anderen oben genannten Evolutionisten waren ausgebildete<br />

Juristen, die nicht von der heute anerkannten Rechtsethnologie ausgingen,<br />

sondern die unter anderem im römischen Recht geschult waren. Nach dem römischen<br />

Recht – bzw. dem Code civil – kommt der Frau in der Gesellschaft eine<br />

sehr untergeordnete Rechtsstellung zu. Genau deshalb war dieses Recht auch im<br />

19. Jahrhundert dafür ” funktional“, um die damals in Europa übliche rechtliche<br />

Minderstellung der Frau zu ” kodifizieren“. Aufgrund ihrer juristischen Weltsicht<br />

erschien den Evolutionisten offenbar die Gleichstellung von Mann und Frau in<br />

segmentären <strong>Gesellschaften</strong> wie eine ” Herrschaft“ von Frauen.<br />

Im folgenden 3. Kapitel wird auf Theorien zur Entstehung von unilinearer Abstammung<br />

in Verbindung mit bevorzugter Maritalresidenz eingegangen. Das Gewohnheitsrecht<br />

ist grundsätzlich flexibel und bildet die Grundlage für das Zusammenleben<br />

von Menschen. In Jäger- und Sammlergesellschaften gibt es weder Patrilinearität<br />

noch Matrilinearität – es müssen im wesentlichen die Exogamieregeln<br />

eingehalten werden –, aber es gibt kaum strikt einzuhaltende Heiratsvorschriften,<br />

von einem ” Wohnort“ kann bei einer ständig wandernden Gruppe ohnehin nicht<br />

gesprochen werden, folglich kann es auch keine Residenzregeln geben. Wir finden<br />

überall dagegen hohe Mobilität zwischen den Gruppen und daher wechselnde<br />

soziale Zusammensetzungen.<br />

Wie oben bei den !Kung Bushmen schon angedeutet, ändert sich dies mit dem<br />

Übergang zum Garten-/Bodenbau und damit zur Seßhaftigkeit grundlegend: Nun<br />

spielen Abstammungs- bzw. Verwandtschafts- und Residenzregeln eine wesentlich<br />

bedeutendere Rolle. Im Regelfall gibt es nach diesem Übergang noch kein<br />

” Privateigentum“ an Grund und Boden, sondern Nutzungsrechte von Verwandtschaftsgruppen.<br />

Dasselbe gilt für die Viehherden bei den Viehzüchtern. Folglich<br />

kann das Erbrecht nicht die Bedeutung haben, die ihm die Evolutionisten zuschrieben.<br />

Dennoch verlassen Bodenbauern nicht freiwillig das Land, in das sie<br />

viel Arbeit investiert haben. Trotzdem finden wir auch bei Bodenbauern immer<br />

wieder größere Migrationsbewegungen (wie z.B. die Völkerwanderung“ in Eu-<br />

”<br />

ropa vom 3. Jahrhundert v.Chr. an). Die Ursachen dafür können vielfältig sein:<br />

klimatische Veränderungen, Bevölkerungszuwachs, kriegerische Auseinandersetzungen,<br />

etc.

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