29.08.2013 Aufrufe

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Mutterrecht in der Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts 103<br />

Das Prinzip des Ackerbaus ist das der geordneten Geschlechtsverbindung.<br />

Beiden gehört das Mutterrecht. Wie das Korn des Ackerfeldes aus der<br />

durch die Pflugschar geöffneten Furche ans Tageslicht tritt, so das Kind aus<br />

dem mütterlichen sporium; denn sporium nannten die Sabiner das weibliche<br />

Saatfeld, den ‘kepos (Garten, weibliche Scham)’, woher spurii, die Gesäten,<br />

von ‘speiro (ich säe)’. 141<br />

Danach beherrscht das stoffliche Recht der Gynaikokratie den Ackerbau und die<br />

Ehe. Das Prinzip des Ackerbaus ist nach Bachofen die geordnete Geschlechterverbindung:<br />

Mutterrecht, Ehe und das Verbot außerehelichen Geschlechtsverkehrs<br />

stehen in engster Verbindung. Das matrimonium bezeichnet er als Mutterehe“,<br />

”<br />

die auf der Grundidee des Mutterrechts ruht, deshalb kann zunächst nur von einer<br />

materfamilias [Familienmutter] gesprochen werden. Nach dem Mutterrecht, gibt<br />

es wohl einen pater, aber keinen paterfamilias, dies sei ein erst später verwendeter<br />

Begriff. familia ist nach Bachofen ein rein physischer Begriff, und darum<br />

gilt er zunächst nur für die Mutter, die eine physische Tatsache sei; wohingegen<br />

der Vates stets nur eine juristische Fiktion darstelle. Daraus folgt nach Bachofen,<br />

daß der Mutter das Recht auf Adoption von Kindern nicht zustehen kann.<br />

” In der Odysse (1,215) sagt Telemachus ‘Die Mutter sagt zwar, daß ich von ihm<br />

bin; ich aber weiß es nicht. Hat doch noch keiner je seine Abkunft selber genau<br />

gekannt!’(Schadewaldt). 142<br />

Die uterini galten mithin als näher verwandt und inniger befreundet als<br />

die consanguinei, ganz im Sinne des auf Naturwahrheit gegründeten Mutterrechts.<br />

matrimonium erscheint als ein Ausdruck höherer Liebe und entspricht<br />

so dem kretischen Ausdruck ‘liebes Mutterland’, von welchem Plato<br />

in einer bald anzuführenden Stelle sagt, er enthalte einen ganz besonderen<br />

Grad von Anhänglichkeit, wie er in der Bezeichnung ‘Vaterland’ nicht<br />

liege. 143<br />

Bachofen bezieht sich im Kapitel über Ägypten auf Welcker, der den Zusammenhang<br />

der Danaiden und der Bluthochzeit der Töchter des Danaos in der ” Aeschylischen<br />

Triologie Prometheus“ (Darmstadt, 1824) hervorgehoben hat. Danach<br />

schließt die Gynaikokratie ein, daß sich die Frau selbst ihren Mann auswählt.<br />

Die Herrschaft des Weibes beginnt mit ihrer eigenen Wahl. Die Frau wirbt,<br />

nicht der Mann. Die Frau gibt sich zur Ehe, sie schließt den Vertrag, sie wird<br />

weder von dem Vater noch von den Agnaten dem Manne gegeben. Dafür<br />

spricht, wie bemerkt, schon die innere Konsequenz. Dasselbe <strong>for</strong>dert aber<br />

auch das Vermögensrecht der Gynaikokratie. Wir haben oben gesehen, daß<br />

nach dem Mutterrecht nur die Tochter das Vermögen erbt, während der<br />

männliche Sprosse davon ausgeschlossen bleibt. Die Frau hat also eine Dos<br />

ohne Zutun des Vaters oder der Brüder, und dadurch wird sie in den Stand<br />

141 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, S.74–75, Plutarch, Quaest.Rom.103.<br />

142 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, Lykien, S.74–77.<br />

143 Heinrichs 1975, Bachofen – Das Mutterrecht, Lykien, S.77.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!