Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 39<br />
Unterscheidung zwischen verschiedenen Gesellschafts<strong>for</strong>men ist die Funktion, die<br />
dem Nachwuchs einer Gesellschaft zukommt.<br />
Weiters zitiert Eickelpasch die Arbeiten von Kathleen Gough (1959, 1961, 1968)<br />
und Chie Nakane (1963) und schreibt, daß aufgrund dieser Schriften über die Nayar<br />
die kulturanthropologische Diskussion von der Universalität der Kernfamilie<br />
endgültig zu verwerfen sei: ” Die Tatsache, daß diese Diskussion in der deutschen<br />
Familiensoziologie beharrlich ignoriert wird, kann als Beleg für die traditionelle<br />
Rezeptionssperre der deutschsprachen Soziologie gegenüber ethnologischen Forschungsergebnissen<br />
gelten.“ 92<br />
Kathleen Gough schreibt in ihrer Arbeit ” The Origin of the Family“ jedoch folgendes:<br />
It is true that in some matrilineal societies, such as the Hopi of Arizona or<br />
the Ashanti of Ghana, men exert little authority over their wives. In some,<br />
such as the Nayars of South India or the Minangkabau of Sumatra, men<br />
may even live separately from their wives and children, that is, in different<br />
families. In such societies, however, the fact is that women and children fall<br />
under greater or lesser authority from the women’s kinsmen – their eldest<br />
brothers, mothers’ brothers, or even their grown-up sons. 93<br />
Gough weist also darauf hin, daß die Männer der Nayar-Frauen nicht mit ihren<br />
Ehefrauen im gemeinsamen Haushalt leben, trotzdem haben die Kinder aber<br />
einen Vater, der auch bestimmte Pflichten übernimmt. Die sexuelle Beziehung<br />
zwischen den Ehegatten ist auch in der Nayar-Gesellschaft geregelt, auch wenn<br />
die Ehegatten nicht unter einem gemeinsamen Dach leben. Der Ursprung der getrennten<br />
Haushalte der Ehegatten ist durch die häufige Abwesenheit der Männer,<br />
bedingt durch Kriegführung und Jagdzüge, zu erklären und führte in der Folge<br />
zur natolokalen Residenz. Auch bei den irokesischen Männern war Kriegführung<br />
und Jagd für die häufige Abwesenheit der Männer verantwortlich. Aber hier führte<br />
die Abwesenheit der Männer nicht zur Trennung der Haushalte, sondern zur<br />
Gemeinschaft des Langhauses. 94<br />
In matrilinearen <strong>Gesellschaften</strong> haben Frauen normalerweise eine größere Unabhängigkeit<br />
als in patrilinearen <strong>Gesellschaften</strong>. Frauen besitzen die größte Unabhängigkeit<br />
in segmentären <strong>Gesellschaften</strong> vor allem dann, wenn matrilineare<br />
Abstammung und uxorilokale Residenz kombiniert sind. Trotzdem sind in allen<br />
92 Eickelpasch 1974, Ist die Kernfamilie universal?, S.327; und nennt weitere Literatur: Kathleen<br />
Gough (1959): The Nayars and the Definition of Marriage, in: Journal of the Royal Anthropological<br />
<strong>Institute</strong>, 89, S.23–34. Kathleen Gough (1961): Nayar: Central Kerala, in: David<br />
M. Schneider, Kathleen Gough (Hrsg.), Matrilineal Kinship, University of Cali<strong>for</strong>nia Press, Berkeley,<br />
Los Angeles, London, S.385–404. Kathleen Gough (1968): Is the Family Universal? – The<br />
Nayar Case, in: N.W. Bell und E.F. Vogel (Hrsg.), 2. Aufl., New York. Chie Nakane (1963): The<br />
Nayar Family in a Disintegrating Matrilineal System, in: J. Mogey (Hg.), Family and Marriage,<br />
Leiden.<br />
93 Gough 1975, The Origin of the Family, S.53–54.<br />
94 Siehe zur Organisation des Langhauses der irokesischen Stämme in der vorliegenden Arbeit<br />
Kapitel 3.