Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 47<br />
aber auch ältere Frauen, die eine anerkannte Autorität ausüben. 117 Konfliktfälle<br />
werden meist durch gemeinsame Beratung gelöst, insgesamt sind Konflikte innerhalb<br />
der Gruppe aber gefährlich:<br />
Konfliktunterdrückung, Konfliktvermeidung und Prämien für die Rolle des<br />
” Vermittlers“ sind daher charakteristisch mit der Folge, daß Konflikte als<br />
Quelle gesellschaftlicher Variation kaum genutzt werden können. – Aus<br />
evolutionstheoretischer Perspektive sind segmentäre <strong>Gesellschaften</strong> durch<br />
den Variationsmechanismus unterversorgt“. Dies erklärt, warum sich Ge-<br />
”<br />
sellschaften, wie etwa die nordaustralischen Tiwi, über 17.000 Jahre (!)<br />
hindurch kaum verändert haben. Evolution ist daher keine Notwendigkeit,<br />
sondern an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die erfüllt sein müssen<br />
– wie in der biologischen Evolution auch. 118<br />
Jäger und Sammler leben heute nur noch in Randgebieten (Wäldern, Bergregionen,<br />
der Arktis oder in Oasen, am Rande von Wüsten), vor allem in Regionen, wo<br />
die Kultivierung des Bodens unmöglich ist. Dazu zählen: die Eskimo (Inuit), viele<br />
kanadische und südamerikanische Indianergesellschaften, die Busch-BaMbuti<br />
(Pygmäen), die Bushmen im südlichen Afrika, die Kadar von Süd-Indien, die<br />
Veddah Ceylons und die Andamanen im indischen Ozean. 119<br />
Zusammenfassend können als charakteristische Merkmale von Jäger- und Sammlergesellschaften<br />
folgende angeführt werden:<br />
1. Die nomadisierende Lebensweise: sie beeinflußt die Sozialorganisation und<br />
beschränkt die materiellen Güter.<br />
2. Die Begrenzung der Gruppengröße: zwischen 20 und 200 Mitgliedern, meist<br />
aber weniger als 50.<br />
3. Gliederung in Kernfamilien, die zu bestimmten Jahreszeiten getrennt auf<br />
Nahrungssuche gehen. 120<br />
Die ” domestic family“ ist häufig die einzig bestehende face-to-face Gruppe,<br />
obwohl Brüder mit ihren Familien sich auf ihren Wanderungen treffen<br />
und zeitweise gemeinsam jagen und sammeln. Die nächst größere Einheit<br />
ist die ” Band“ selbst. Sie wird dadurch definiert, daß sich ihre Mitglieder<br />
eng miteinander verbunden fühlen, nicht untereinander heiraten, in einigen<br />
Fällen sich selbst territorial als Einwohner und/oder ” Besitzer“ eines<br />
117 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, Kap. XII, S.80.<br />
118 Wimmer 1996, Evolution der Politik, S.121, bezogen auf C.W.M. Hart und A.R. Pilling<br />
(1960): The Tiwi of North Australia, New York u.a.<br />
119 Gough 1975, The Origin of the Family, S.62–63. Insgesamt wurden 175 Jäger- und Sammlergesellschaften<br />
(Murdock 1957, World Ethnographic Sample, in: American Anthropologist,<br />
59:664-687) von Ozeanien, Asien, Afrika und in Amerika im Detail beschrieben.<br />
120 Siehe dazu die Beschreibung über das Familienleben der nomadisierenden !Kung Bushmen<br />
von Patricia Draper (1975): !Kung Women: Contrasts in Sexual Egalitarianism in Foraging and<br />
Sedentary Contexts, in: Rayna R. Reiter (Hrsg.), Toward an Anthropology of Women, Monthly<br />
Review Press, New York, London, S.77–109.