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Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies

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Familialisierung von sozialen Beziehungen 27<br />

theoretische Falle, so die These von Slocum. Die von Washburn und Lancaster<br />

(1968) angenommene Vorstellung, daß die Frau wegen ihrer abhängigen Kinder<br />

nicht an der Jagd teilnehmen konnte und dadurch in ihrer Bewegungsfreiheit<br />

eingeengt war, habe dazu geführt, daß an sie kaum gemeinschaftliche An<strong>for</strong>derungen<br />

gestellt wurden. Die Männer aber bildeten Gemeinschaften für die Jagd.<br />

Sie verbesserten ihre Techniken und ihre kommunikativen und organisatorischen<br />

Fähigkeiten, und nicht zuletzt brachten sie das Fleisch zu den ” abhängigen“ Frauen<br />

und Kindern. Inzestverbot, Ehe und Familie entstanden durch das Bedürfnis,<br />

die Konkurrenz zwischen Mann und Frau auszuschalten, wie Washburn und Lancaster<br />

es <strong>for</strong>mulierten. Sie stellten sich aber nicht die Frage, was taten die Frauen,<br />

während ihre Männer auf der Jagd waren? Es kann doch nicht angenommen werden,<br />

wie Slocum es nennt: daß die Frauen sich zurücklehnten und auf die Rückkehr<br />

der Männer warteten und ein Kind nach dem anderen (viele starben) zur Welt<br />

gebracht hätten. Das würde heißen, daß für die menschliche Evolution nur die<br />

Aktivitäten der Männer ausschlaggebend gewesen wären! Es könne sich deshalb<br />

nur um einen schwerwiegenden Fehler in der Rekonstruktion handeln. 59 Soweit<br />

Slocum.<br />

Auf der Familie ruhte aber noch nicht der gesellschaftliche Durck, der sich später<br />

mit der Seßhaftigkeit der Bodenbauern entwickelte. Der Zweck der Familie war<br />

deshalb nicht das Gebären von Kindern, sondern die Überlebenschancen zu verbessern.<br />

Es bestand eher eine ziemlich freie Verbindung von Mann und Frau,<br />

die ohne besondere Zeremonien geregelt wurde. Die Trennung eines Paares ohne<br />

Kinder war unkompliziert. Diese Form der Verbindung entspricht nach Wesel<br />

derjenigen, die Morgan als ” syndiasmische“ bezeichnet hatte. Es gab nur wenige<br />

Sexualtabus: das Inzestverbot zwischen Mutter und Sohn und Vater und Tochter<br />

war vorhanden, aber nicht aus genetischen Gründen der Zuchtwahl, wie Morgan,<br />

Engels und viele andere vermuteten, sondern dafür seien gesellschaftliche Normen<br />

ausschlaggebend gewesen. 60<br />

Die häufig zitierten Jägergesellschaften, die im wesentlichen aber vom Sammeln<br />

lebten, haben durch die Jagd der Männer und die Betreuung der Kinder durch<br />

die Frauen eine geschlechtliche Arbeitsteilung entwickelt. Die Frauen sammeln<br />

mit ihren Kindern pflanzliche Nahrung, die sie auch zubereiten, und zwar nicht<br />

nur für ihre Kinder, sondern auch für den Mann. Daraus wurde geschlossen, daß<br />

die Familie als Folge dieser Arbeitsteilung entstanden sei – als kleinste Einheit, in<br />

der Arbeitsteilung stattfand, gemeinsame Verteilung und gemeinsamer Verzehr<br />

der Produkte.<br />

Sie [die Familie] war nicht die logische, sondern die historische Folge dieser<br />

Arbeitsteilung. Sicher wäre es auch möglich gewesen, im Kollektiv der Horde<br />

gemeinsam zu verteilen und zu verbrauchen. In vielen Jägergesellschaften<br />

wird die Jagdbeute gemeinsam verteilt, wenn die Männer gemeinsam<br />

59 Slocum 1975, Woman the Gatherer, S.41–42.<br />

60 Wesel 1980, Der Mythos vom Matriarchat, Kap. XII, S.82.

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