Matrilineare Gesellschaften - Institute for Advanced Studies
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Familialisierung von sozialen Beziehungen 53<br />
Voraussetzung für das Gehirnwachstum. Sie berücksichtigen dabei nicht, daß sich<br />
auch Frauen organisieren und komplexere Bande knüpfen mußten. Washburn und<br />
Lancaster stellten sich nie die Frage: ” Was taten die Frauen, während ihre Männer<br />
auf der Jagd waren?“. Am Beispiel der !Kung Frauen soll diese Frage beantwortet<br />
werden.<br />
1.4 Jäger und Sammler am Beispiel der !Kung<br />
Bushmen<br />
Patricia Draper hat sich mit dem Status der !Kung Frauen beschäftigt. Von besonderer<br />
Bedeutung ist dabei, daß die !Kung-Gruppen sich heute durch zwei<br />
verschiedene Lebensweisen unterscheiden. Die einen leben von der traditionellen<br />
Jagd und vom Sammeln, die anderen wurden seßhaft. Dieses Beispiel der !Kung<br />
kann zwar nicht verallgemeinert werden, aber es zeigt eine mögliche Variante der<br />
Veränderungen, denen vor allem die Frauen unterworfen sind, auf.<br />
Die in der traditionellen Jäger- und Sammlergemeinschaft lebenden Frauen haben<br />
wesentlich größere Wahlmöglichkeiten, Autonomie und Einfluß. Die Sozialordnung<br />
ist durch Egalitarismus bestimmt. Die Frauen leisten einen höheren Beitrag<br />
bei der Ernährung der Familie und kontrollieren die Verteilung der gesammelten<br />
Nahrung. Die Bewegungsfreiheit in der Kalahari ist für beide Geschlechter gleich<br />
groß. Es gibt gesellschaftliche Sanktionen gegen jede Art des Ausdrucks körperlicher<br />
Aggression. Die Aggressionskontrolle gilt für jedes Mitglied der Gemeinschaft<br />
und jede Übertretung wird sanktioniert. Die Gruppen sind klein und innerhalb der<br />
Gruppe der Erwachsenen gibt es keine rigide Trennung nach Geschlecht: weder bei<br />
der Kindersozialisation noch bei den Arbeiten, die die Gemeinschaft betreffen. 139<br />
Die Untersuchungen über die !Kung-<strong>Gesellschaften</strong> gehen auf Veröffentlichungen<br />
von Lorna Marshall, John Marshall und Elizabeth Thomas Marshall zurück, die<br />
den Hintergrund der Sozialorganisation und die Ökonomie der !Kung er<strong>for</strong>schten.<br />
Die Veröffentlichungen der Marshallfamilie stammen aus den 60er Jahren. Weitere<br />
Feld<strong>for</strong>schungen wurden von einer Gruppe Harvard-Universitätsmitgliedern im<br />
westlichen Botswana über die !Kung Bevölkerung durchgeführt. 140<br />
139 Patricia Draper (1975): !Kung Women: Contrasts in Sexual Egalitarianism in Foraging and<br />
Sedentary Contexts, in: Rayna R. Reiter (Hrsg.), Toward an Anthropology of Women, Monthly<br />
Review Press, New York, London, S.77–78.<br />
140 Draper 1975, !Kung Women, S.79. Hier wird vor allem verwiesen auf: Richard B. Lee und<br />
Irven DeVore (Hrsg.) (1968): Man the Hunter. The First Intensive Survey of a Single, Crucial<br />
Stage of Human Development – Man’s Once Universal Hunting Way of Life, Aldine de Gruyter,<br />
New York. Richard B. Lee (1968): What Hunters Do <strong>for</strong> a Living, or, How To Make Out on<br />
Scarce Resources, in: Lee, Richard B. und DeVore, Irven, Man the Hunter, Aldine de Gruyter,<br />
New York, S.30–48. Richard B. Lee und Irven DeVore (1976): Kalahari Hunter-Gatherers. –<br />
<strong>Studies</strong> of the !Kung San and Their Neighbors, Harvard University Press, Cambridge, MA und<br />
London, UK. Richard B. Lee (1984): The Dobe !Kung, Holt, Rinehart and Winston, New York,<br />
Chicago et al.